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Полное собрание сочинений. Том 13. Статьи из Колокола и другие произведения 1857-1858 годов

in ihrer naiven, natürlichen Einfachheit, in ihrem resignierten Elend. Es war das vergessene Rußland, das Rußland der Armen, der Bauern, welches sich hier auch einmal vernehmen ließ, das Rußland, welches zu Zeiten der Ironie Gogol ‘s Einhalt tat und ihn aus einem Henker zum fröhlich teilnehmenden Gaste machte.

Die Zeit war also gekommen, wo das Aschenbrödel in den Ballsal eintrat. Die Strömung von unten her fing an die Oberhand zu gewinnen. Das zivilisierte Rußland begann endlich, wie der Gott von Beranger, mit Neugierde auf die untere Welt herabzusehen, die auf den Feldern umherschwärmte und arbeitete: «Sieh doch! sie sind mehr Menschen ähnlich als wir geglaubt haben. Wie sonderbar!» Das war wirklich eine große Entdeckung!

Und was sehr merkwürdig ist, das ist, daß die einzige Partei, die sich vorzugsweise national nennt, die moskowitische Partei, aus der man während des Krieges einen Bootsmann machte, durchaus nichts zu dieser Entdeckung beigetragen hat. Freilich ist es wahr, daß die Panslawisten Gogol zu den Ihrigen zählen; allein

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das ist die Kanonisation von Aristoteles. Gogol gehörte niemals irgend einer Partei an. Das Auflösungswort des Rätsels aber war dies, daß sie einfach das wirkliche Volk gar nicht kannten; sie hatten sich ein russisches Volk konstruiert (ein Ausdruck deutscher Philosophie) nach den Studien, die sie in der Chronik von Nestor über die Traditionen der andern slawischen Rassen gemacht hatten, ohne sich die Mühe zu geben, dasjenige kennen zu lernen, welches zu ihren Füßen lebte. Selbst Kolzoff, der Dichter-Viehtrei-ber, ist niemals unter den moskowitischen Revolutionären gewesen.

Wenn die Zeit gekommen ist, um eine Idee zur Reife zu bringen, so wird man von ihr fortgerissen, ohne daß man daran denkt. Einer der bedeutendsten Koryphäen der Byron’schen Richtung unternahm es, nachdem er in den Eingeweiden einer kleinlichen und gemeinen Gesellschaft herumgewühlt hatte — in der Alles, was Ansprüche auf ein edleres Leben machte, am Nichts des kleinlichen Elends ersticken mußte — uns zwei arme Bauern auf seine Art zu zeichnen; er gab ihnen, natürlich aus Scherz, dem einen den Charakter von Goethe, dem anderen den von Schiller. Aber in dem Maße, als Turgenieff das gutsherrliche Haus und die Mansarde des Intendanten in das Auge faßte, riß ihn sein Gegenstand fort, der Scherz verwischte sich mehr und mehr und der Dichter zeichnete uns zwei verschiedene, ernste, poetische Typen des russischen Bauern. Das Publikum, das nicht darauf vorbereitet war, klatschte Beifall. Der Dichter erschien mit seiner zweiten Erzählung «eines Jägers», sie war vortrefflich — so ging es weiter. Turgenieff hatte auch seinen besonderen Widerwillen, er nagte nicht die Knochen ab, die Gogol ihm gelassen hatte, er verfolgte eine andere Beute: den Gutsherrn, dessen Frau Gemahlin, dessen Kabinett, den Intendanten und den Starosten des Dorfes. Niemals ist das innere Leben des gutsherrlichen Hauses so dem allgemeinen Lachen, dem Abscheu, dem Haß preisgegeben worden. Dabei muß man bemerken, daß Turgenieff nie starke Farben aufträgt, nie zu energische Ausdrücke anwendet, im Gegenteil er erzählt mit großer Plastizität und gebraucht immer nur die gebildetste Sprache, welche den Eindruck dieser poetischen Anklage gegen die Leibeigenschaft außerordentlich erhöht.

Turgenieff ist aber nicht bei dem Märtyrertum des Bauern stehen geblieben, er hat sich nicht gescheut, den leibeigenen Diener

in seiner erstickenden Stube aufzusuchen, wo derselbe nur einen einzigen Tröster hat: den Brannt wein. Er hat uns die Existenz dieses russischen Onkel Tom mit dem Maße des Künstlers wiedergegeben, das selbst die doppelte Zensur zu umgehen wußte, und dennoch uns zittern macht vor Wut bei der Schilderung dieses erbärmlichen, unmenschlichen Leidens, unter welchem eine Generation nach der ändern hinsinkt, ohne Hoffnung, nicht allein mit beleidigter Seele, sondern selbst mit verstümmeltem Körper.

Die Namen Turgenieff und Grigorowitsch werden weder von dem russischen Leibeignen, noch von dem Freigelassenen jemals vergessen werden. Jetzt, am Vorabend der Emanzipation, unter einer milderen Regierung, predigen Viele gegen die Leibeigen-schaft; jene Beiden haben es, als Dichter und Künstler, unter der Schreckenherrschaft von Nikoiaus getan.

Als ich Rußland verließ, kannte ich wenig von dem, was Grigorowitsch geschrieben; er war damals einer der jungen Autoren, die eben anfingen zu schreiben. In Neapel, im Jahre 1848, war es, wo ich zuerst seinen «Anton der Leidensträger» las, die einfache Geschichte eines Bauern, den der Intendant verfolgt, weil er eine, ihm von den andern Bauern diktierte Bittschrift an den Gutsherrn, gegen den Intendanten gerichtet, geschrieben hat. Dieses «memento patriam» war sehr hart inmitten der revolutionären Zeit in Italien und der süßen, schmeichelnden Lüfte des Mittelmeers. Ich fühlte Gewissensbisse, ich schämte mich, da zu sein, wo ich war. Der leibeigne Bauer, gefurcht von der Zeit, arm, gut, sanft, unschuldig und doch, die Kette am Fuß, nach Sibirien wandernd, verfolgte mich unaufhörlich mitten unter dem prächtigen Volke, bei welchem ich mich befand. —

Der Roman, den Sie übersetzt haben, bildet eine neue Phase der Volkspoesie. Die Strömung von unten hat gesiegt. Der Herr des Dorfes, der Intendant, der räuberische Richter, der Kommissar¬Mörder — Alles das ist verschwunden, der Typus, ganz Nerv und Muskel, der Typus von Gleb Sawinitsch, Fischer-Bauer, beherrscht Alles. Es ist das Leben des Bauern, nicht in seinem ungleichen Kampfe mit dem Gutsherrn und dessen despotischen Rechten, oder den chikanösen Ausbeutungen der Administration, es ist das Leben des Bauern fur sich.

Der Feind, der in den «Fischern» auftritt, gehört schon zum

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Hause selbst; es ist der Anfang eines ganz andern Kampfes, des Kampfes zwischen dem ackerbautreibenden, frugalen, einfachen Patriarchalismus und dem bourgeoisen Proletarier, der in den Städten, in den Fabriken arbeitet, und ein verderbtes Vagabondenleben führt. Dieser Kampf ist schon menschlicher, nicht mehr bloß in der Form einer brutalen Übermacht, sondern geführt mit gleichen Waffen und unter Gleichgestellten. Die unnütze und wohltätige Einmischung der Polizei ist der größte Fehler des ganzen Romans von Grigorowitsch, da es eine Inkonsequenz und ein Verstoß gegen die Wirklichkeit ist.

Der Roman «Die Fischer» führt uns ein in den Anfang des unvermeidlichen Kampfes (eines Kampfes der Evolution) zwischen dem «bäuerischen» und dem «städtischen» Element, zwischen dem Bauer-Ackerbauer und dem Bauer-Fabrikarbeiter. Dieser Kampf wird jedoch bei uns nicht die Ausdehnung haben, die er in Frankreich und England hat. Die ackerbautreibende Bevölkerung hat bei uns weit mehr Wichtigkeit als irgendwo anders. Die Städte sind schlecht bevölkert, eine große Menge Arbeiter kommen vom Lande, ohne ihren Verband mit der Gemeinde aufzulösen und bleiben daher Bauern. Er wird aber auch noch aus einer andern Ursache nicht denselben erbitterten Charakter ohne Ausweg haben, wie dort. Die Reihe von Ideen, über die man sich noch nicht allgemein verständigt hat und die obenauf schwimmend geblieben sind auf dem Meere der europäischen Reaktion — welche mehr und mehr die Reste der revolutionären Armada, in welcher die alte Welt die Überfahrt zu machen gedachte, verschlingt — diese Reihe von Ideen ist theoretisch schon weit über den Kampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat, zwischen Städter und Bauern hinaus. Diese Ideen gehören uns kraft des Rechts des Studiums und des Verständnisses an, wie sie kraft der Leiden und der Ausarbeitung dem westlichen Europa angehören. Das ist aber noch nicht Alles, und indem wir die Isba des russischen Bauern durchsuchten, indem wir diesen letzteren Schritt vor Schritt durch die Furchen, die sein Schweiß befeuchtet, nachgingen, haben wir einen Embryo von ökonomischen und administrativen Institutionen gefunden, der sich auf die Gemeinsamkeit des Grundbesitzes, auf einen agrarischen und instinktiven Kommunismus gründet.

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Bei dieser Entdeckung hielten unsere alten Freunde, die moralischen Vagabonden — die nicht wußten, wo sie ihr Haupt hinlegen sollten, die sich verloren fühlten in einer antipathischen Mitte und mit Anstrengung ein fernes Ideal verfolgten, um einer widerwärtigen und gemeinen Wirklichkeit zu entfliehen — inne, sie wurden gewahr, daß unter der aussätzigen Oberfläche des kaiserlichen, gutsherrlichen, administrativen Rußlands etwas Lebendiges, Starkes, Unbekanntes lebte, eine Welt zum Studieren, eine Welt, gegründet auf die Gemeinde und den Besitz des Bodens.

Die Rolle der traurigen und melancholischen Person: des Menschen, der sich unnütz fühlt, gerade weil er wirklich Mensch sein will, ist ausgespielt. Dieser Mensch hat jetzt eine Aufgabe zu erfüllen. Es gilt, die Elemente des russischen Gemeindelebens von den Zusätzen zu befreien, welche der Mongolismus, der Zarismus, die Büreaukratie und die deutsche Kasernokratie durch das Regime der Ordonnanzen der Leibeigenschaft u. s. w. hinzugebracht haben, und sie, indem man sie zum natürlichen Ausgangspunkt nimmt, durch die soziale Idee des Occidents zu entwickeln und zu verklären zum Besten der allgemeinen Wissenschaft vom Wohlsein der Menschheit.

Und damit ist seine Aufgabe noch nicht zu Ende. Er hat noch eine andere. Die ist: diese Entwicklung vor den fieberhaften Krisen, vor dem gewaltsamen Züruckkommen auf das Vergangene, vor all’ den blutigen und furchtbaren Konvulsionen zu bewahren, welche die soziale Idee geboren und gereift haben, indem sie die Völker des Westens an den Rand des Grabes brachten.

Sie sehen, es hängt Alles davon ab, die intime Vereinigung von Wladimir Lenski142[62], dem Studenten der Göttinger Universität, dem Verehrer von Schiller und Goethe, dem utopistischen

Träumer, dem Dichter mit langem gelocktem Haar, und unserm alten Gleb Sawinitsch, dem praktischen Philosophen, dem rauhen, starken Charakter, dem wahren Typus der cyclopischen Rasse der Fischer-Bauern, zu Stande zu bringen. Werden sie sich je verständigen? Der Alte ist wunderlich und hartnäcking.

Wer lebt, wird sehen!

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Inzwischen räume ich dem alten Gleb den Platz. Er liebt ja ohnehin nicht die langen Reden, und seine alte Frau bedachte sich ja erst immer zwei-, dreimal, ehe sie ihn durch ihre Fürbitten zu Gunsten des Ankaufs einiger irdenen Töpfe oder anderer derartiger Luxusgegenstände langweilte.

Putney bei London,

28 Dezember 1857.

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ПЕРЕВОД

О РОМАНЕ ИЗ НАРОДНОЙ ЖИЗНИ В РОССИИ

(ПИСЬМО К ПЕРЕВОДЧИЦЕ «РЫБАКОВ»)

Я узнал, что вы закончили перевод русского романа Григоровича «Рыбаки». Вы проделали трудную работу. Выдающийся талант Григоровича проявляется не только в верном и поэтическом воспроизведении жизни крестьян, но и в передаче их языка, а повседневная речь народа менее всего интернациональна.

И тем не менее вы хорошо поступили, обратившись к роману из народной жизни. В последнее время он приобрел известное значение в русской литературе. И весьма примечательно то, что этот роман — отнюдь не

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