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Кары (сборник)
nach meinem Herzen. Darum hast du ihn auch betrogen die ganzen Jahre lang. Warum sonst? Glaubst du, ich habe nicht um ihn geweint? Darum doch sperrst du dich in dein Bureau, niemand soll storen, der Chef ist beschaftigt – nur damit du deine falschen Briefchen nach Ru?land schreiben kannst. Aber den Vater mu? glucklicherweise niemand lehren, den Sohn zu durchschauen. Wie du jetzt geglaubt hast, du hattest ihn untergekriegt, so untergekriegt, da? du dich mit deinem Hintern auf ihn setzen kannst und er ruhrt sich nicht, da hat sich mein Herr Sohn zum Heiraten entschlossen! »

Georg sah zum Schreckbild seines Vaters auf. Der Petersburger Freund, den der Vater plotzlich so gut kannte, ergriff ihn, wie noch nie. Verloren im weiten Ru?land sah er ihn. An der Ture des leeren, ausgeraubten Geschaftes sah er ihn. Zwischen den Trummern der Regale, den zerfetzten Waren, den fallenden Gasarmen stand er gerade noch. Warum hatte er so weit wegfahren mussen!

«Aber schau mich an! » rief der Vater, und Georg lief, fast zerstreut, zum Bett, um alles zu fassen, stockte aber in der Mitte des Weges.

«Weil sie die Rocke gehoben hat», fing der Vater zu floten an, «weil sie die Rocke so gehoben hat, die widerliche Gans», und er hob, um das darzustellen, sein Hemd so hoch, da? man auf seinem Oberschenkel die Narbe aus seinen Kriegsjahren sah, «weil sie die Rocke so und so und so gehoben hat, hast du dich an sie herangemacht, und damit du an ihr ohne Storung dich befriedigen kannst, hast du unserer Mutter Andenken geschandet, den Freund verraten und deinen Vater ins Bett gesteckt, damit er sich nicht ruhren kann. Aber kann er sich ruhren oder nicht? «

Und er stand vollkommen frei und warf die Beine. Er strahlte vor Einsicht.

Georg stand in einem Winkel, moglichst weit vom Vater. Vor einer langen Weile hatte er sich fest entschlossen, alles vollkommen genau zu beobachten, damit er nicht irgendwie auf Umwegen, von hinten her, von oben herab uberrascht werden konne. Jetzt erinnerte er sich wieder an den langst vergessenen Entschlu? und verga? ihn, wie man einen kurzen Faden durch ein Nadelohr zieht.

«Aber der Freund ist nun doch nicht verraten! » rief der Vater, und sein hin- und herbewegter Zeigefinger bekraftigte es. «Ich war sein Vertreter hier am Ort. «

«Komodiant! » konnte sich Georg zu rufen nicht enthalten, erkannte sofort den Schaden und bi?, nur zu spat, – die Augen erstarrt – in seine Zunge, da? er vor Schmerz einknickte.

«Ja, freilich habe ich Komodie gespielt! Komodie! Gutes Wort! Welcher andere Trost blieb dem alten verwitweten Vater? Sag – und fur den Augenblick der Antwort sei du noch mein lebender Sohn –, was blieb mir ubrig, in meinem Hinterzimmer, verfolgt vom ungetreuen Personal, alt bis in die Knochen? Und mein Sohn ging im Jubel durch die Welt, schlo? Geschafte ab, die ich vorbereitet hatte, uberpurzelte sich vor Vergnugen und ging vor seinem Vater mit dem verschlossenen Gesicht eines Ehrenmannes davon! Glaubst du, ich hatte dich nicht geliebt, ich, von dem du ausgingst?»

«Jetzt wird er sich vorbeugen», dachte Georg, «wenn er fiele und zerschmetterte!» Dieses Wort durchzischte seinen Kopf.

Der Vater beugte sich vor, fiel aber nicht. Da Georg sich nicht naherte, wie er erwartet hatte, erhob er sich wieder.

«Bleib, wo du bist, ich brauche dich nicht! Du denkst, du hast noch die Kraft, hierher zu kommen und haltst dich blo? zuruck, weil du so willst. Da? du dich nicht irrst! Ich bin noch immer der viel Starkere. Allein hatte ich vielleicht zuruckweichen mussen, aber so hat mir die Mutter ihre Kraft abgegeben, mit deinem Freund habe ich mich herrlich verbunden, deine Kundschaft habe ich hier in der Tasche! «

«Sogar im Hemd hat er Taschen!» sagte sich Georg und glaubte, er konne ihn mit dieser Bemerkung in der ganzen Welt unmoglich machen. Nur einen Augenblick dachte er das, denn immerfort verga? er alles.

«Hang dich nur in deine Braut ein und komm mir entgegen! Ich fege sie dir von der Seite weg, du wei?t nicht wie! «

Georg machte Grimassen, als glaube er das nicht. Der Vater nickte blo?, die Wahrheit dessen beteuernd, was er sagte, in Georgs Ecke hin.

«Wie hast du mich doch heute unterhalten, als du kamst und fragtest, ob du deinem Freund von der Verlobung schreiben sollst. Er wei? doch alles, dummer Junge, er wei? doch alles! Ich schrieb ihm doch, weil du vergessen hast, mir das Schreibzeug wegzunehmen. Darum kommt er schon seit Jahren nicht, er wei? ja alles hundertmal besser als du selbst. Deine Briefe zerknullt er ungelesen in der linken Hand, wahrend er in der Rechten meine Briefe zum Lesen sich vorhalt! «

Seinen Arm schwang er vor Begeisterung uber dem Kopf. «Er wei? alles tausendmal besser! » rief er.

«Zehntausendmal!» sagte Georg, um den Vater zu verlachen, aber noch in seinem Munde bekam das Wort einen toternsten Klang.

«Seit Jahren passe ich schon auf, da? du mit dieser Frage kamest! Glaubst du, mich kummert etwas anderes? Glaubst du, ich lese Zeitungen? Da! » und er warf Georg ein Zeitungsblatt, das irgendwie mit ins Bett getragen worden war, zu. Eine alte Zeitung, mit einem Georg schon ganz unbekannten Namen.

«Wie lange hast du gezogert, ehe du reif geworden bist! Die Mutter mu?te sterben, sie konnte den Freudentag nicht erleben, der Freund geht zugrunde in seinem Ru?land, schon vor drei Jahren war er gelb zum Wegwerfen, und ich, du siehst ja, wie es mit mir steht. Dafur hast du doch Augen! «

«Du hast mir also aufgelauert! » rief Georg.

Mitleidig sagte der Vater nebenbei: «Das wolltest du wahrscheinlich fruher sagen. Jetzt pa?t es ja gar nicht mehr. «

Und lauter: «Jetzt wei?t du also, was es noch au?er dir gab, bisher wu?test du nur von dir! Ein unschuldiges Kind warst du ja eigentlich, aber noch eigentlicher warst du ein teuflischer Mensch! – Und darum wisse: Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens! «

Georg fuhlte sich aus dem Zimmer gejagt, den Schlag, mit dem der Vater hinter ihm aufs Bett sturzte, trug er noch in den Ohren davon. Auf der Treppe, uber deren Stufen er wie uber eine schiefe Flache eilte, uberrumpelte er seine Bedienerin, die im Begriffe war heraufzugehen, um die Wohnung nach der Nacht aufzuraumen. «Jesus! » rief sie und verdeckte mit der Schurze das Gesicht, aber er war schon davon. Aus dem Tor sprang er, uber die Fahrbahn zum Wasser trieb es ihn. Schon hielt er das Gelander fest, wie ein Hungriger die Nahrung. Er schwang sich uber, als der ausgezeichnete Turner, der er in seinen Jugendjahren zum Stolz seiner Eltern gewesen war. Noch hielt er sich mit schwacher werdenden Handen fest, erspahte zwischen den Gelanderstangen einen Autoomnibus, der mit Leichtigkeit seinen Fall ubertonen wurde, rief leise: «Liebe Eltern, ich habe euch doch immer geliebt», und lie? sich hinabfallen.

In diesem Augenblick ging uber die Brucke ein geradezu unendlicher Verkehr.

2. DIE VERWANDLUNG
I
Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Traumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rucken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewolbten, braunen, von bogenformigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Hohe sich die Bettdecke, zum ganzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang klaglich dunnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.

«Was ist mit mir geschehen?» dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wanden. Uber dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender –, hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hubschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die, mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasa? und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob.

Gregors Blick richtete sich dann zum Fenster, und das trube Wetter – man horte Regentropfen auf das Fensterblech aufschlagen – machte ihn ganz melancholisch. «Wie ware es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten verga?e», dachte er, aber das war ganzlich undurchfuhrbar, denn er war gewohnt, auf der rechten Seite zu schlafen, konnte sich aber in seinem gegenwartigen Zustand nicht in diese Lage bringen. Mit welcher Kraft er sich auch auf die rechte Seite warf, immer wieder schaukelte er in die Ruckenlage zuruck. Er versuchte es wohl hundertmal, schlo? die Augen, um die zappelnden Beine nicht sehen zu mussen, und lie? erst ab, als er in der Seite einen noch nie gefuhlten, leichten, dumpfen Schmerz zu fuhlen begann.

«Ach Gott», dachte er, «was fur einen anstrengenden Beruf habe ich gewahlt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschaftlichen Aufregungen sind viel gro?er, als im eigentlichen Geschaft zu Hause, und au?erdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zuganschlusse, das unregelma?ige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr. Der Teufel soll das alles holen! » Er fuhlte ein leichtes Jucken oben auf dem Bauch; schob sich auf dem Rucken langsam naher zum Bettpfosten, um den Kopf besser heben zu konnen; fand die juckende Stelle, die mit lauter kleinen wei?en Punktchen besetzt war, die er nicht zu beurteilen verstand; und wollte mit einem Bein die Stelle betasten, zog es aber gleich zuruck, denn bei der Beruhrung umwehten ihn Kalteschauer.

Er glitt wieder in seine fruhere Lage zuruck. «Dies fruhzeitige Aufstehen», dachte er, «macht einen ganz blodsinnig. Der Mensch mu? seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zuruckgehe, um die erlangten Auftrage zu uberschreiben, sitzen diese Herren erst beim Fruhstuck. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich wurde

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nach meinem Herzen. Darum hast du ihn auch betrogen die ganzen Jahre lang. Warum sonst? Glaubst du, ich habe nicht um ihn geweint? Darum doch sperrst du dich in dein