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Кары (сборник)
immer darauf, noch langer bei Tisch zu bleiben, trotzdem er regelma?ig einschlief, und war dann uberdies nur mit der gro?ten Muhe zu bewegen, den Sessel mit dem Bett zu vertauschen. Da mochten Mutter und Schwester mit kleinen Ermahnungen noch so sehr auf ihn eindringen, viertelstundenlang schuttelte er langsam den Kopf, hielt die Augen geschlossen und stand nicht auf. Die Mutter zupfte ihn am Armel, sagte ihm Schmeichelworte ins Ohr, die Schwester verlie? ihre Aufgabe, um der Mutter zu helfen, aber beim Vater verfing das nicht. Er versank nur noch tiefer in seinen Sessel. Erst bis ihn die Frauen unter den Achseln fa?ten, schlug er die Augen auf, sah abwechselnd die Mutter und die Schwester an und pflegte zu sagen: «Das ist ein Leben. Das ist die Ruhe meiner alten Tage. » Und auf die beiden Frauen gestutzt, erhob er sich, umstandlich, als sei er fur sich selbst die gro?te Last, lie? sich von den Frauen bis zur Ture fuhren, winkte ihnen dort ab und ging nun selbstandig weiter, wahrend die Mutter ihr Nahzeug, die Schwester ihre Feder eiligst hinwarfen, um hinter dem Vater zu laufen und ihm weiter behilflich zu sein.

Wer hatte in dieser abgearbeiteten und ubermudeten Familie Zeit, sich um Gregor mehr zu kummern, als unbedingt notig war? Der Haushalt wurde immer mehr eingeschrankt; das Dienstmadchen wurde nun doch entlassen; eine riesige knochige Bedienerin mit wei?em, den Kopf umflatterndem Haar kam des Morgens und des Abends, um die schwerste Arbeit zu leisten; alles andere besorgte die Mutter neben ihrer vielen Naharbeit. Es geschah sogar, da? verschiedene Familienschmuckstucke, welche fruher die Mutter und die Schwester uberglucklich bei Unterhaltungen und Feierlichkeiten getragen hatten, verkauft wurden, wie Gregor am Abend aus der allgemeinen Besprechung der erzielten Preise erfuhr. Die gro?te Klage war aber stets, da? man diese fur die gegenwartigen Verhaltnisse allzugro?e Wohnung nicht verlassen konnte, da es nicht auszudenken war, wie man Gregor ubersiedeln sollte. Aber Gregor sah wohl ein, da? es nicht nur die Rucksicht auf ihn war, welche eine Ubersiedlung verhinderte, denn ihn hatte man doch in einer passenden Kiste mit ein paar Luftlochern leicht transportieren konnen; was die Familie hauptsachlich vom Wohnungswechsel abhielt, war vielmehr die vollige Hoffnungslosigkeit und der Gedanke daran, da? sie mit einem Ungluck geschlagen war, wie niemand sonst im ganzen Verwandten- und Bekanntenkreis. Was die Welt von armen Leuten verlangt, erfullten sie bis zum au?ersten, der Vater holte den kleinen Bankbeamten das Fruhstuck, die Mutter opferte sich fur die Wasche fremder Leute, die Schwester lief nach dem Befehl der Kunden hinter dem Pulte hin und her, aber weiter reichten die Krafte der Familie schon nicht. Und die Wunde im Rucken fing Gregor wie neu zu schmerzen an, wenn Mutter und Schwester, nachdem sie den Vater zu Bett gebracht hatten, nun zuruckkehrten, die Arbeit liegen lie?en, nahe zusammenruckten, schon Wange an Wange sa?en; wenn jetzt die Mutter, auf Gregors Zimmer zeigend, sagte: «Mach’ dort die Tur zu, Grete,» und wenn nun Gregor wieder im Dunkel war, wahrend nebenan die Frauen ihre Tranen vermischten oder gar tranenlos den Tisch anstarrten.

Die Nachte und Tage verbrachte Gregor fast ganz ohne Schlaf. Manchmal dachte er daran, beim nachsten Offnen der Tur die Angelegenheiten der Familie ganz so wie fruher wieder in die Hand zu nehmen; in seinen Gedanken erschienen wieder nach langer Zeit der Chef und der Prokurist, die Kommis und die Lehrjungen, der so begriffsstutzige Hausknecht, zwei drei Freunde aus anderen Geschaften, ein Stubenmadchen aus einem Hotel in der Provinz, eine liebe, fluchtige Erinnerung, eine Kassiererin aus einem Hutgeschaft, um die er sich ernsthaft, aber zu langsam beworben hatte – sie alle erschienen untermischt mit Fremden oder schon Vergessenen, aber statt ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie samtlich unzuganglich, und er war froh, wenn sie verschwanden. Dann aber war er wieder gar nicht in der Laune, sich um seine Familie zu sorgen, blo? Wut uber die schlechte Wartung erfullte ihn, und trotzdem er sich nichts vorstellen konnte, worauf er Appetit gehabt hatte, machte er doch Plane, wie er in die Speisekammer gelangen konnte, um dort zu nehmen, was ihm, auch wenn er keinen Hunger hatte, immerhin gebuhrte. Ohne jetzt mehr nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen konnte, schob die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins Geschaft lief, mit dem Fu? irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer hinein, um sie am Abend, gleichgultig dagegen, ob die Speise vielleicht nur verkostet oder – der haufigste Fall – ganzlich unberuhrt war, mit einem Schwenken des Besens hinauszukehren. Das Aufraumen des Zimmers, das sie nun immer abends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan sein. Schmutzstreifen zogen sich die Wande entlang, hie und da lagen Knauel von Staub und Unrat. In der ersten Zeit stellte sich Gregor bei der Ankunft der Schwester in derartige besonders bezeichnende Winkel, um ihr durch diese Stellung gewisserma?en einen Vorwurf zu machen. Aber er hatte wohl wochenlang dort bleiben konnen, ohne da? sich die Schwester gebessert hatte; sie sah ja den Schmutz genau so wie er, aber sie hatte sich eben entschlossen, ihn zu lassen. Dabei wachte sie mit einer an ihr ganz neuen Empfindlichkeit, die uberhaupt die ganze Familie ergriffen hatte, daruber, da? das Aufraumen von Gregors Zimmer ihr vorbehalten blieb. Einmal hatte die Mutter Gregors Zimmer einer gro?en Reinigung unterzogen, die ihr nur nach Verbrauch einiger Kubel Wasser gelungen war – die viele Feuchtigkeit krankte allerdings Gregor auch und er lag breit, verbittert und unbeweglich auf dem Kanapee –, aber die Strafe blieb fur die Mutter nicht aus. Denn kaum hatte am Abend die Schwester die Veranderung in Gregors Zimmer bemerkt, als sie, aufs hochste beleidigt, ins Wohnzimmer lief und, trotz der beschworend erhobenen Hande der Mutter, in einen Weinkrampf ausbrach, dem die Eltern – der Vater war naturlich aus seinem Sessel aufgeschreckt worden – zuerst erstaunt und hilflos zusahen, bis auch sie sich zu ruhren anfingen; der Vater rechts der Mutter Vorwurfe machte, da? sie Gregors Zimmer nicht der Schwester zur Reinigung uberlie?; links dagegen die Schwester anschrie, sie werde niemals mehr Gregors Zimmer reinigen durfen; wahrend die Mutter den Vater, der sich vor Erregung nicht mehr kannte, ins Schlafzimmer zu schleppen suchte; die Schwester, von Schluchzen geschuttelt, mit ihren kleinen Fausten den Tisch bearbeitete; und Gregor laut vor Wut daruber zischte, da? es keinem einfiel, die Tur zu schlie?en und ihm diesen Anblick und Larm zu ersparen.

Aber selbst wenn die Schwester, erschopft von ihrer Berufsarbeit, dessen uberdrussig geworden war, fur Gregor, wie fruher, zu sorgen, so hatte noch keineswegs die Mutter fur sie eintreten mussen und Gregor hatte doch nicht vernachlassigt werden brauchen. Denn nun war die Bedienerin da. Diese alte Witwe, die in ihrem langen Leben mit Hilfe ihres starken Knochenbaues das Argste uberstanden haben mochte, hatte keinen eigentlichen Abscheu vor Gregor. Ohne irgendwie neugierig zu sein, hatte sie zufallig einmal die Tur von Gregors Zimmer aufgemacht und war im Anblick Gregors, der, ganzlich uberrascht, trotzdem ihn niemand jagte, hin und herzulaufen begann, die Hande im Scho? gefaltet staunend stehen geblieben. Seitdem versaumte sie nicht, stets fluchtig morgens und abends die Tur ein wenig zu offnen und zu Gregor hineinzuschauen. Anfangs rief sie ihn auch zu sich herbei, mit Worten, die sie wahrscheinlich fur freundlich hielt, wie «Komm mal heruber, alter Mistkafer!» oder «Seht mal den alten Mistkafer!» Auf solche Ansprachen antwortete Gregor mit nichts, sondern blieb unbeweglich auf seinem Platz, als sei die Tur gar nicht geoffnet worden. Hatte man doch dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune ihn nutzlos storen zu lassen, lieber den Befehl gegeben, sein Zimmer taglich zu reinigen! Einmal am fruhen Morgen – ein heftiger Regen, vielleicht schon ein Zeichen des kommenden Fruhjahrs, schlug an die Scheiben – war Gregor, als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann, derartig erbittert, da? er, wie zum Angriff, allerdings langsam und hinfallig, sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt sich zu furchten, hob blo? einen in der Nahe der Tur befindlichen Stuhl hoch empor, und wie sie mit gro? geoffnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den Mund erst zu schlie?en, wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors Rucken niederschlagen wurde. «Also weiter geht es nicht?» fragte sie, als Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in die Ecke zuruck.

Gregor a? nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zufallig an der vorbereiteten Speise voruberkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie ihn dann meist wieder aus. Zuerst dachte er, es sei die Trauer uber den Zustand seines Zimmers, die ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den Veranderungen des Zimmers sohnte er sich sehr bald aus. Man hatte sich angewohnt, Dinge, die man anderswo nicht unterbringen konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen, und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein Zimmer der Wohnung an drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren – alle drei hatten Vollbarte, wie Gregor einmal durch eine Turspalte feststellte – waren peinlich auf Ordnung, nicht nur in ihrem Zimmer, sondern, da sie sich nun einmal hier eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also insbesondere in der Kuche, bedacht. Unnutzen oder gar schmutzigen Kram ertrugen sie nicht. Uberdies hatten sie zum gro?ten Teil ihre eigenen Einrichtungsstucke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge uberflussig geworden, die zwar nicht verkauflich waren, die man aber auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer. Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der Kuche. Was nur im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer sehr eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah glucklicherweise meist nur den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die

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immer darauf, noch langer bei Tisch zu bleiben, trotzdem er regelma?ig einschlief, und war dann uberdies nur mit der gro?ten Muhe zu bewegen, den Sessel mit dem Bett zu vertauschen.