«Ja, die Egge», sagte der Offizier, «der Name pa?t. Die Nadeln sind eggenartig angeordnet, auch wird das Ganze wie eine Egge gefuhrt, wenn auch blo? auf einem Platz und viel kunstgema?er. Sie werden es ubrigens gleich verstehen. Hier auf das Bett wird der Verurteilte gelegt. – Ich will namlich den Apparat zuerst beschreiben und dann erst die Prozedur selbst ausfuhren lassen. Sie werden ihr dann besser folgen konnen. Auch ist ein Zahnrad im Zeichner zu stark abgeschliffen; es kreischt sehr, wenn es im Gang ist; man kann sich dann kaum verstandigen; Ersatzteile sind hier leider nur schwer zu beschaffen. – Also hier ist das Bett, wie ich sagte. Es ist ganz und gar mit einer Watteschicht bedeckt; den Zweck dessen werden Sie noch erfahren. Auf diese Watte wird der Verurteilte bauchlings gelegt, naturlich nackt; hier sind fur die Hande, hier fur die Fu?e, hier fur den Hals Riemen, um ihn festzuschnallen. Hier am Kopfende des Bettes, wo der Mann, wie ich gesagt habe, zuerst mit dem Gesicht aufliegt, ist dieser kleine Filzstumpf, der leicht so reguliert werden kann, da? er dem Mann gerade in den Mund dringt. Er hat den Zweck, am Schreien und am Zerbei?en der Zunge zu hindern. Naturlich mu? der Mann den Filz aufnehmen, da ihm sonst durch den Halsriemen das Genick gebrochen wird.» «Das ist Watte?» fragte der Reisende und beugte sich vor. «Ja gewi?», sagte der Offizier lachelnd, «befuhlen Sie es selbst.» Er fa?te die Hand des Reisenden und fuhrte sie uber das Bett hin. «Es ist eine besonders praparierte Watte, darum sieht sie so unkenntlich aus; ich werde auf ihren Zweck noch zu sprechen kommen. » Der Reisende war schon ein wenig fur den Apparat gewonnen; die Hand zum Schutz gegen die Sonne uber den Augen, sah er an dem Apparat in die Hohe. Es war ein gro?er Aufbau. Das Bett und der Zeichner hatten gleichen Umfang und sahen wie zwei dunkle Truhen aus. Der Zeichner war etwa zwei Meter uber dem Bett angebracht; beide waren in den Ecken durch vier Messingstangen verbunden, die in der Sonne fast Strahlen warfen. Zwischen den Truhen schwebte an einem Stahlband die Egge.
Der Offizier hatte die fruhere Gleichgultigkeit des Reisenden kaum bemerkt, wohl aber hatte er fur sein jetzt beginnendes Interesse Sinn; er setzte deshalb in seinen Erklarungen aus, um dem Reisenden zur ungestorten Betrachtung Zeit zu lassen. Der Verurteilte ahmte den Reisenden nach; da er die Hand nicht uber die Augen legen konnte, blinzelte er mit freien Augen zur Hohe.
«Nun liegt also der Mann», sagte der Reisende, lehnte sich im Sessel zuruck und kreuzte die Beine.
«Ja», sagte der Offizier, schob ein wenig die Mutze zuruck und fuhr sich mit der Hand uber das hei?e Gesicht, «nun horen Sie! Sowohl das Bett, als auch der Zeichner haben ihre eigene elektrische Batterie; das Bett braucht sie fur sich selbst, der Zeichner fur die Egge. Sobald der Mann festgeschnallt ist, wird das Bett in Bewegung gesetzt. Es zittert in winzigen, sehr schnellen Zuckungen gleichzeitig seitlich, wie auch auf und ab. Sie werden ahnliche Apparate in Heilanstalten gesehen haben; nur sind bei unserem Bett alle Bewegungen genau berechnet; sie mussen namlich peinlich auf die Bewegungen der Egge abgestimmt sein. Dieser Egge aber ist die eigentliche Ausfuhrung des Urteils uberlassen.»
«Wie lautet denn das Urteil?» fragte der Reisende. «Sie wissen auch das nicht?» sagte der Offizier erstaunt und bi? sich auf die Lippen: «Verzeihen Sie, wenn vielleicht meine Erklarungen ungeordnet sind; ich bitte Sie sehr um Entschuldigung. Die Erklarungen pflegte fruher namlich der Kommandant zu geben; der neue Kommandant aber hat sich dieser Ehrenpflicht entzogen; da? er jedoch einen so hohen Besuch» – der Reisende suchte die Ehrung mit beiden Handen abzuwehren, aber der Offizier bestand auf dem Ausdruck – «einen so hohen Besuch nicht einmal von der Form unseres Urteils in Kenntnis setzt, ist wieder eine Neuerung, die – «, er hatte einen Fluch auf den Lippen, fa?te sich aber und sagte nur: «Ich wurde nicht davon verstandigt, mich trifft nicht die Schuld. Ubrigens bin ich allerdings am besten befahigt, unsere Urteilsarten zu erklaren, denn ich trage hier» – er schlug auf seine Brusttasche – «die betreffenden Handzeichnungen des fruheren Kommandanten. «
«Handzeichnungen des Kommandanten selbst» fragte der Reisende: «Hat er denn alles in sich vereinigt? War er Soldat, Richter, Konstrukteur, Chemiker, Zeichner?»
«Jawohl», sagte der Offizier kopfnickend, mit starrem, nachdenklichem Blick. Dann sah er prufend seine Hande an; sie schienen ihm nicht rein genug, um die Zeichnungen anzufassen; er ging daher zum Kubel und wusch sie nochmals. Dann zog er eine kleine Ledermappe hervor und sagte: «Unser Urteil klingt nicht streng. Dem Verurteilten wird das Gebot, das er ubertreten hat, mit der Egge auf den Leib geschrieben. Diesem Verurteilten zum Beispiel» – der Offizier zeigte auf den Mann – «wird auf den Leib geschrieben werden: Ehre deinen Vorgesetzten! «
Der Reisende sah fluchtig auf den Mann hin; er hielt, als der Offizier auf ihn gezeigt hatte, den Kopf gesenkt und schien alle Kraft des Gehors anzuspannen, um etwas zu erfahren. Aber die Bewegungen seiner wulstig aneinander gedruckten Lippen zeigten offenbar, da? er nichts verstehen konnte. Der Reisende hatte Verschiedenes fragen wollen, fragte aber im Anblick des Mannes nur: «Kennt er sein Urteil» «Nein», sagte der Offizier und wollte gleich in seinen Erklarungen fortfahren, aber der Reisende unterbrach ihn: «Er kennt sein eigenes Urteil nicht» «Nein», sagte der Offizier wieder, stockte dann einen Augenblick, als verlange er vom Reisenden eine nahere Begrundung seiner Frage, und sagte dann: «Es ware nutzlos, es ihm zu verkunden. Er erfahrt es ja auf seinem Leib.» Der Reisende wollte schon verstummen, da fuhlte er, wie der Verurteilte seinen Blick auf ihn richtete; er schien zu fragen, ob er den geschilderten Vorgang billigen konne. Darum beugte sich der Reisende, der sich bereits zuruckgelehnt hatte, wieder vor und fragte noch: «Aber da? er uberhaupt verurteilt wurde, das wei? er doch?» «Auch nicht», sagte der Offizier und lachelte den Reisenden an, als erwarte er nun von ihm noch einige sonderbare Eroffnungen. «Nein», sagte der Reisende und strich sich uber die Stirn hin, «dann wei? also der Mann auch jetzt noch nicht, wie seine Verteidigung aufgenommen wurde?» «Er hat keine Gelegenheit gehabt, sich zu verteidigen», sagte der Offizier und sah abseits, als rede er zu sich selbst und wolle den Reisenden durch Erzahlung dieser ihm selbstverstandlichen Dinge nicht beschamen. «Er mu? doch Gelegenheit gehabt haben, sich zu verteidigen», sagte der Reisende und stand vom Sessel auf.
Der Offizier erkannte, da? er in Gefahr war, in der Erklarung des Apparates fur lange Zeit aufgehalten zu werden; er ging daher zum Reisenden, hing sich in seinen Arm, zeigte mit der Hand auf den Verurteilten, der sich jetzt, da die Aufmerksamkeit so offenbar auf ihn gerichtet war, stramm aufstellte – auch zog der Soldat die Kette an –, und sagte: «Die Sache verhalt sich folgenderma?en. Ich bin hier in der Strafkolonie zum Richter bestellt. Trotz meiner Jugend. Denn ich stand auch dem fruheren Kommandanten in allen Strafsachen zur Seite und kenne auch den Apparat am besten. Der Grundsatz, nach dem ich