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Aus der Jugendzeit

man hat Alles gewonnen oder Alles verloren, das verstehe ich. Und trinken, trinken, immer noch mehr trinken, das verstehe ich ebenfalls. Zeigen Sie mir doch einmal etwas, was ich thun soll und wof;r ich mein Leben einsetzen soll. Sofort thue ich es! Nicht einen Augenblick z;gere ich!«

»Weshalb denn immer gleich das Leben einsetzen? Begn;ge Dich doch damit, einfach und schlicht zu leben, wie andere Menschenkinder.«

»Das kann ich nun einmal nicht. Sie machen mir den Vorwurf, da; ich ohne Ueberlegung handele. Aber wie soll ich denn anders thun! Beginne ich erst, ;berhaupt einmal nachzudenken, Herrgott, was geht mir dann Alles durch den Kopf! Das Ueberlegen eignet sich auch gar nicht f;r uns Russen. Das ist etwas f;r die Deutschen!«

Was sollte man solchen Einwendungen entgegenhalten? Was konnte man mit Aussicht auf Wirkung bei ihm vorbringen? Er war eben ein Verzweifelter, und damit ist Alles gesagt.

Ich habe vorhin erw;hnt, da; ;ber sein Leben im Kaukasus eine gro;e Zahl Geschichten im Umlauf waren; ich will Ihnen einige davon zum Besten geben.

Eines Tages prahlte Mischa in der Gesellschaft von Offizieren mit einem echten tscherkessischen S;bel, den er gegen irgend etwas Anderes eingetauscht hatte.

»Es ist eine echte persische Klinge,« behauptete er.

Einige Offiziere bezweifelten die Echtheit und Mischa gerieth bei der Verteidigung seiner Ansicht immer mehr in Eifer.

»Wissen Sie,« rief er endlich, »was S;belklingen anbetrifft, erkl;rt man im allgemeinen den ein;ugigen Abdul f;r den gr;;ten Kenner und Sachverst;ndigen. Ich werde ihn einfach aufsuchen und ihn um seine Anficht befragen.«

»Welchen Abdul?« riefen die Offiziere, aufs H;chste ;berrascht. »Etwa Abdul-Khan, der in den Bergen haust? der mit uns auf Kriegsfu; steht?«

»Denselben.«

»Nun, er wird Dich f;r einen Spion halten, wird Dich festnehmen und wenn er Dich nicht in strengem Gewahrsam h;lt, so schl;gt er Dir mit Deinem eigenen S;bel den Kopf ab. Wie willst Du denn ;berhaupt zu ihm gelangen? Bevor Du noch zu ihm vordringst, bist Du schon gefangen und weggef;hrt.«

»Ihr k;nnt reden, was Ihr wollt, ich gehe dennoch zu ihm.«

»Ich wette, da; Du nicht gehst.«

»Ich halte jede Wette.«

Ohne sich im Geringsten st;ren oder aufhalten zn lassen, sattelte Mischa sein Pferd und machte sich auf den Weg.

Drei Tage vergingen. Alle glaubten mit Bestimmtheit, da; der tollk;hne Mensch sein Ende gefunden habe. Da aber kehrte er zur;ck und zwar in furchtbar betrunkenem Zustande und mit einem andern S;bel als demjenigen, wegen dessen er ausgeritten war. Man best;rmte ihn mit Fragen.

»Es ist Alles sehr h;bsch und einfach gegangen,« berichtete Mischa; »dieser Abdul-Khan ist wirklich ein sehr netter Kerl. Zuerst lie; er mir allerdings Fesseln an die F;;e legen und alle Anstalten treffen, um mich auf einen Pfahl zu spie;en. Ich erkl;rte ihm nun aber in aller Ruhe, weshalb ich gekommen sei und zeigte ihm dabei meinen S;bel. ›Es lohnt wirklich nicht der M;he, mich gefangen zu nehmen, denn L;segeld wird f;r mich doch von keiner Seite gezahlt. Verwandte habe ich nicht und ein Fremder wendet auch nicht einen einzigen Kopeken daran, mein Leben von Dir zu erkaufen.‹

»Abdul-Khan schien sehr verwundert zu sein; er betrachtete mich aufmerksam mit dem einen Auge, das er noch sein eigen nennt. Dann fagte er: ›Russe, Du scheinst mir ein durchtriebener Schelm zu sein; darf man Dir trauen?‹ – ›Du kannst mir trauen,‹ antwortete ich; ›ich l;ge niemals.‹ (Das war der Fall; Mischa hat wirklich nie in seinem Leben gelogen). »Abdul sah mich von Neuem aufmerksam an. Dann fragte er: ›Kannst Du Wein trinken?‹ – ›Gewi;‹ antwortete ich; ›ich trinke, soviel Du nur irgend willst, Wein, Branntwein mir ist es gleich.‹ Abdul-Khan schien aus seinem Staunen gar nicht mehr herauszukommen und rief den Namen Allahs an. Darauf befahl er seiner Tochter – mir wenigstens kam es so vor, als sei das M;dchen seine Tochter; es war ;brigens ein sehr niedliches Gesch;pfchen, aber Augen hatte es gerade wie ein Schakal – er befahl also seiner Tochter, mir einen Schlauch voll Wein zu bringen, und nun machte ich mich dar;ber her und zeigte, was ich in dieser Beziehung zu leisten im Stande sei.

» ›Dein S;bel.‹ sagte Abdul dann zu mir, ›ist nicht echt; nimm hier diese Klinge, sie ist eine wahrhaft echte. Und nun wollen wir leben als Gastfreunde und Br;der.‹ So blieb ich einen Tag bei Abdul-Khan. Sie sehen, meine Herren, da; Sie Ihre Wette verloren haben; nun zahlen Sie also.«

Eine zweite Geschichte. Mischa huldigte dem Kartenspiel mit gro;er Leidenschaft. Aber da er niemals im Besitze von baarem Geld und im Bezahlen seiner Spielschulden auch nichts weniger als p;nktlich war, so mochte Niemand mehr mit ihm spielen. Eines Tages nun best;rmte er einen seiner Kameraden mit den dringendsten Bitten.

»Spiele doch mit mir! Thue mir doch den Gefallen, mach’ mit mir ein Spielchen.«

»Aber wenn Du verlierst, bezahlst Du ja doch nicht.«

»Geld habe ich allerdings nicht, aber wenn ich verliere, will ich mir eine Kugel durch die linke Hand schie;en, mit dieser Pistole hier.«

»Welchen Vortheil h;tte ich davon?«

»Einen Vortheil allerdings nicht, aber die Sache ist doch immerhin interessant.«

Dieses Gespr;ch fand nach einer kleinen Kneiperei statt und hatte einige Zeugen. Der verr;ckte Vorschlag Mischa’s mochte dem Offizier vielleicht wirklich besonders interessant erscheinen, genug, er willigte darein. Es wurden Karten herbeigebracht und das Spiel begann. Mischa hatte Gl;ck und gewann hundert Rubel.

Pl;tzlich schlug sich sein Gegner mit der Hand vor die Stirne.

»Welch ein Dummkopf bin ich doch!« rief er dabei. »Es war sicherlich nur eine plumpe Falle, und doch bin ich hineingegangen. Wenn Du verloren h;ttest, so h;ttest Du Dir ja doch nicht durch die Hand geschossen. Du h;ttest Dich jedenfalls geh;tet.«

»Meinst Du?« erwiderte Mischa. »Nun, ich habe zwar gewonnen, aber Du sollst es nun doch mit Deinen eigenen Augen sehen.«

Er ergriff die Pistole und – paff! – scho; er sich durch die linke Hand. Die Kugel durchbohrte die Hand auf beiden Seiten. Nach Verlauf von acht Tagen war die Wunde ;brigens wieder geheilt, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen. Wieder ein anderes Mal ritt Mischa zur Nachtzeit mit seinen Kameraden auf einem schmalen Pfade dahin; neben diesem Wege g;hnte der Schlund eines finsteren Abgrundes, von dem man den Boden nicht sehen konnte.

»Nun,« meinte einer der Offiziere, »so tollk;hn unser Mischa auch sein m;ge, in diesen Abgrund hinabzuspringen, wird er doch h;bsch bleiben lassen.«

»So? Ich werde dennoch hineinspringen!«

»Das wirst Du nicht thun. Dieser Abgrund hat eine Tiefe von mindestens sechzig Fu;, und bei einem Sprunge dort hinunter kann man nicht nur Arme und Beine, sondern auch den Hals brechen.«

Der Freund wu;te ganz genau, an welcher schwachen Stelle man Jenen packen mu;te: bei seiner Eitelkeit. Diese war bei Mischa in unglaublich hohem Grade entwickelt:

»Ich sage, ich springe hinab, also werde ich springen. Wollen wir wetten? Zehn Rubel?«

»Gut, es gilt.«

Kaum hatte der Offizier dies gesprochen, als Mischa sich auch schon aus dem Sattel geschwungen hat und nun in die Schlucht hinunter. Man h;rte ihn ;ber das Gestein dahinkollern. Alle Anwesenden waren vor j;hem Schreck wie erstarrt; eine Minute verrann – da h;rte man Mischa’s Stimme und sie klang so dumpf, als dringe sie aus dem Schoo;e der Erde hervor:

»Ich bin unverletzt! Ich fiel in den Sand! Es hat aber eine ganze Zeit lang gedauert, bis ich hier unten ankam. Jetzt schuldet Ihr mir zehn Rubel!«

»Komm wieder herauf!« riefen die Kameraden.

»Ja, komm herauf,« erwiderte Mischa. »Das ist leicht gesagt. Hol mich der Teufel, wenn ich wei;, wie ich hier herauskommen soll. Jetzt holt vor allen Dingen Laternen und Stricke. Damit mir aber in der Zwischenzeit das Warten nicht zu langweilig wird, kann mir Einer von Euch seine Feldflasche hinunterwerfen.«

Fast f;nf Stunden mu;te Mischa auf dem Grunde der Schlucht zubringen, und als man ihn endlich heraufzog, stellte es sich heraus, da; der eine Arm vollst;ndig ausgerenkt war. Das machte ihm aber nicht die geringste Sorge. Am n;chsten Tage renkte ihm ein Kurschmied, der sich auch ein Bischen auf das Menschenkuriren verstand, die Schulter wieder ein, und Jener konnte seinen Arm wieder gebrauchen, als ob gar nichts passirt w;re.

Seine Gesundheit war ;berhaupt von einer unglaublichen, man man m;chte fast sagen: unerh;rten Widerstandskraft. Ich habe schon erw;hnt, da; sein Gesicht bis zum Tode eine rosige, beinahe kindliche Frische bewahrte. Trotz seiner Unm;;igkeit und seines unregelm;;igen Lebenswandels wurde er doch niemals von einer Krankheit heimgesucht. In F;llen, bei welchen ein Anderer gestorben, zum Mindesten aber gef;hrlich erkrankt w;re, sch;ttelte er sich einfach, wie eine Ente, die aus dem Wasser steigt; dann war alles Ungemach vergessen und er bl;hte herrlicher auf, als je zuvor.

Einmal, es war auch w;hrend seines Aufenthaltes im Kaukasus – ich schicke gleich voran, da; ich selbst diese Geschichte f;r unglaublich halte, aber man erz;hlte sie doch allgemein und sie kann zugleich als Beweis daf;r gelten, wessen man Mischa f;r f;hig hielt – einmal st;rzte er also, als er sich wieder toll und voll getrunken hatte, mit dem Leib und den Beinen in einm Flu;, so da; nur der Kopf und die Arme ;ber der Oberfl;che des Wassers blieben. Es geschah das im strengen Winter; in der Nacht fror es und als man ihn am n;chsten Morgen gewahrte, konnte man seine Beine und seinen Leib nicht mehr sehen, es hatte sich n;mlich eine ziemlich dichte Eisschicht um seinen K;rper gebildet. Man denke nur – nicht einmal einen Schnupfen hat er sich bei diesem Abenteuer zugezogen.

Ein anderes Mal – dieses trug sich aber nicht mehr im Kaukasus zu, sondern in Ru;land, in der N;he von Orel und ebenfalls im strengen Winter – mein Mischa befand sich also ein anderes Mal in einer au;erhalb der Stadt gelegenen Schenke und zwar in Gesellschaft von sieben Gymnasiasten. Diese jungen Leute feierten ihr Abiturientenexamen und luden meinen Neffen als liebensw;rdigen Menschen – oder, wie man damals zu sagen pflegte: einen »Seufzer-Menschen« – ein, an ihrer Feier theilzunehmen. Es wurde unm;;ig viel getrunken und als sich die lustige Gesellschaft zum Aufbruch r;stete,

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man hat Alles gewonnen oder Alles verloren, das verstehe ich. Und trinken, trinken, immer noch mehr trinken, das verstehe ich ebenfalls. Zeigen Sie mir doch einmal etwas, was ich thun