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Aus der Jugendzeit

leben!«

Und noch kr;ftiger und schneller als zuvor arbeitete Mischa mit dem Grabscheit.

»Zum Teufel auch,« dachte der Gutsherr; »was soll denn das bedeuten? Es scheint wirklich, als wolle er sich ein Grab machen und sich dann gleich hineinlegen. Michael Andrejewitsch,« fuhr er dann laut fort, »ich mu; Sie doch um Entschuldigung bitten. H;ren Sie mich nur an, es waltet hier ein Mi;verst;ndni; vor.« Mischa grub. »Aber wozu diese Verzweiflung?« Mischa grub ruhig weiter und warf die ausgehobene Erde dem Gutsherrn auf die F;;e. »Da, Du Landverschlinger!« schrie er dabei; »nimm es und fri; es auf!«

»Ich gebe Ihnen die Versicherung, da; Sie im Unrecht sind. Sie sollten lieber in meine Wohnung kommen, sollten dort etwas genie;en und ein Wenig ausruhen.«

Mischa erhob den Kopf.

»Sieh einmal, jetzt singst Du in einer ganz anderen Tonart. Wie ist’s darum? Giebt’s bei Dir auch etwas zu trinken?«

»Ganz gewi;! Weshalb nicht?« erwiderte der Gutsherr, sehr erfreut, da; die Sache eine f;r ihn so g;nstige Wendung nahm.

»Ladest Du auch den alten Timothej ein?«

»Freilich, auch ihn.«

Mischa dachte einen Augenblick nach.

»Das sage ich Dir von vornherein: Du wei;t, da; Du mich ausgepl;ndert hast und da; Du Schuld an meiner jetzigen Lage bist, bilde Dir also nicht etwa ein, da; Du die Sache mit einer einzigen Flasche todt machen k;nntest.«

»Seien Sie unbesorgt! Es ist von Allem so viel da, als Ihr Herz begehrt.«

Mischa richtete sich ganz empor und warf den Spaten zur Seite. »Nun, mein lieber Timothej,« wandte er sich an seinen alten W;rter, »so wollen wir denn dem Hausherrn die Ehre erweisen. Gehen wir!«

»Sehr gern,« antwortete der Alte.

So begaben sich die Drei ins Herrenhaus.

Der durchtriebene Gutsbesitzer wu;te ganz genau, wie er sich zu verhalten habe. Mischa begann allerdings damit, da; er sich von Jenem das Ehrenwort geben lie;, er wolle seinen Bauern in Zukunft alle m;glichen Erleichterungen zu Theil werden lassen, aber schon eine Stunde sp;ter tanzte Mischa mit Timothej, Beide vollst;ndig betrunken, Galopp in demselben Zimmer, in welchem, wie man meinen konnte, noch der Geist von Andrej Nikolajewitsch Poltew, Mischa’s Vater, umging; wieder eine Stunde sp;ter lag Mischa, der trotz seines vielen Trinkens doch nicht viel Branntwein vertragen konnte und deshalb schon eingeschlafen war, auf einem Wagen. Seine M;tze hatte man ihm auf den Kopf gesetzt, seinen Dolch neben ihm gelegt, und so wurde er nach der etwa f;nfundzwanzig Werst entfernten Nachbarstadt gefahren. Dort legte man ihn an einem Zaun nieder, wo er sich bei feinem Erwachen zum gr;;ten Erstaunen wiederfand. Timothej, der noch nicht eingeschlummert war, sondern immer noch versuchte f;r sich allein Galopp zu tanzen, wurde einfach aus dem Hause geworfen. Was man mit dem Herrn zu thun beabsichtigt hatte, konnte somit wenigstens beim Diener ausgef;hrt werden.

VI.

Wiederum verging einige Zeit, ohne da; ich das Geringste von Mischa oder ;ber ihn geh;rt h;tte. Gott mochte wissen wohin, er gerathen war. Da sitze ich nun eines sch;nen Tages in einer Posthalterei an der T.’schen Landstra;e; auf dem Tische vor mir stand der Samowar und ich wartete auf den Vorspann, da h;re ich pl;tzlich unter dem offenen Fenster des Passagierzimmers eine heisere Stimme auf franz;sisch sagen: »Monsieur, monsieur! preuez piti233; d’un pauvre gentilhomme ruin233;!«

Ich erhob den Kopf, gro;er Gott! Wen mu;te ich vor mir sehen! Die von allen Haaren entbl;;te Fellm;tze auf dem Kopfe, bekleidet mit der zerlumpten Tscherkessen-Uniform, an welcher die aufgen;hten Patronenh;lsen fast in Fetzen herunterhingen, den Dolch in der zerplatzten und zerbrochenen Scheide tragend, mit aufgedunsenem, dabei aber noch immer rosig schimmerndem Gesicht, mit zerzaustem, aber immer noch reichem Kopfhaar, so stand Mischa vor mir! Er war es wirklich, und er war schon soweit gesunken, da; er die Reisenden auf der Landstra;e um einen Almosen ansprach!

Ich schrie unwillk;rlich laut auf. Er erkannte mich, zitterte, wandte sich ab und machte Miene sich von dem Fenster zu entfernen. Ich hielt ihn zur;ck. Aber was sollte ich sagen? Sollte ich ihm etwa in diesem Moment eine moralische Vorlesung halten?

Ohne ein Wort zu ;u;ern hielt ich ihm einen F;nfrubelschein hin; ebenfalls schweigend ergriff er die Banknote mit seiner immer noch wei;en und rundlichen, aber doch schon zitternden und auch ziemlich unsaubern Hand, und dann verschwand er hinter dem Hause.

Der Vorspann mit frischen Pferden lie; noch immer auf sich warten, und so hatte ich Zeit genug, meinen tr;ben Gedanken ;ber dieses unerwartete Zusammentreffen mit Mischa nachzuh;ngen. Ich machte mir jetzt Vorw;rfe dar;ber, da; ich ihn so kalt und gleichg;ltig hatte weiterziehen lassen. Endlich konnte ich meine Reise fortsetzen; kaum hatte ich noch eine halbe Werst zur;ckgelegt, als ich vor mir auf der Landstra;e einen Trupp Menschen gewahrte, die in seltsamer, offenbar taktm;;iger Weise vorw;rts schritten. Bald hatte ich mit meinem Wagen die Leute eingeholt, und was mu;te ich nun sehen! Zw;lf Bettler waren es, die, mit den Quers;cken auf dem R;cken, zu je zwei und zwei schritten, h;pften und sprangen; sie sangen im Chor ein Liedchen und vor ihnen her tanzte Mischa und br;llte den Refrain noch lauter als die Andern. Kaum war mein Wagen in ihrer N;he angelangt, als er mich auch schon erblickte und nun laut rief:

»Hurrah! Halt! Das ganze Bataillon, Front!«

Gehorsam blieben die Bettler auf dieses Kommando hin in doppelter Reihe stehen; er selbst sprang mit seinem gew;hnlichen gellenden Lachen auf den Wagentritt und br;llte nun ein »Hurrah« ;ber das andere.

»Was hat das denn zu bedeuten?« fragte ich ganz erstaunt.

»Das ist meine Armee! Es ist die Bettlergarde, ;brigens alles Gottesm;nner und gute Freunde von mir. Jeder von ihnen, Dank Ihrer Gro;muth, hat sich mit einem Gl;schen das Herz erfreuen k;nnen, und da sind wir denn nat;rlich heiter und seelensvergn;gt. Ach, Onkelchen, glauben Sie mir, nur in der Gesellschaft von Bettlern, von solchen braven M;nnern, l;;t es sich noch einigerma;en auf dieser Welt leben! Sonst ist es wirklich nicht auszuhalten!«

Ich antwortete nicht darauf; in diesem Augenblicke aber erschien er mir so herzensgut, in seinem Gesicht sprach sich eine solche liebensw;rdige beinahe kindliche Einfalt aus, da; ich mich im tiefsten Innern ergriffen f;hlte. Wie ein Blitz fuhr mir der Gedanke, hier zu helfen, durch den Kopf.

»Setze Dich zu mir in den Wagen!« sagte ich.

Er machte eine Bewegung, die sein gro;es Erstaunen ausdr;ckte.

»Wie? Ich – in diesen Wagen?«

»Jawohl,« wiederholte ich. »Setze Dich zu mir, ich will Dir einen Vorschlag machen. Setze Dich doch, wir wollen zusammen weiterfahren.«

»Wie Sie wollen.«

Er nahm neben mir Platz.

»Und Ihr, meine lieben Freunde und ehrenwerthen Genossen,« fuhr er fort, sich an die Bettler wendend, »lebt wohl! Auf Wiedersehen!«

Er nahm seine Fellm;tze ab und gr;;te sehr h;flich. Die Bettler standen starr vor 220;berraschung. Ich befahl dem Kutscher, die Pferde t;chtig laufen zu lassen, und so rollte denn unser Wagen bald wieder auf der Chaussee dahin.

Ich wollte Mischa folgenden Vorschlag machen: Mir war der Gedanke gekommen, ihn mit mir auf meinen Landsitz zu nehmen, der etwa drei;ig Werst von jener Station entfernt war, auf der ich ihn wiedergesehen hatte. Hier wollte ich ihn bessern oder doch wenigstens den Versuch zu seiner Besserung unternehmen.

»H;re einmal, Mischa,« begann ich, »willst Du in meinem Hause leben? Du sollst ganz nach Deiner Bequemlichkeit leben; auch mit Kleidung und W;sche wird man Dich versehen und Dich ;berhaupt ordentlich ausstatten. Geld zu Taback und anderen kleinen Gen;ssen und Vergn;gungen sollst Du ebenfalls erhalten, aber alles das nur unter einer Bedingung: Du darfst keinen Branntwein mehr trinken. Gehst Du darauf ein?«

Mischa schien vor pl;tzlicher Freude ganz erschrocken zu sein; seine Augen blickten mich starr an, sein ganzes Gesicht ergl;hte; dann sank er pl;tzlich an meine Schulter, ;berh;ufte mich mit K;ssen und wiederholte einmal ;ber das andere mit halberstickter Stimme:

»Onkel! Onkelchen, mein Wohlth;ter, Gott vergelt’s Ihnen!«

Schlie;lich brach er in lautes Weinen aus, nahm seine Fellm;tze vom Kopf und wischte sich damit die Augen, die Nase und den Mund.

»Vergi; aber nicht,« sagte ich eindringlichst, »da; ich eine Bedingung gestellt habe, von deren Innehaltung alles Andere abh;ngig ist: Du darfst keinen Brantwein trinken.«

»Der Teufel hole den Branntwein!« rief er, beide H;nde wie abwehrend von sich streckend. In Folge dieser Bewegung str;mte f;rmlich eine Wolke von dem Spiritusgeruch, der ihn ganz zu durchdringen schien, auf mich zu.

»Ach, mein liebes gutes Onkelchen, wenn Sie nur w;;ten, welch ein Leben ich gef;hrt habe! Aber mein st;ndiger Gram war schuld an Allem und das Schicksal hat mir auch gar zu arg mitgespielt! Aber nun schw;re ich, Onkelchen, ja, ich schw;re Ihnen, da; ich mich bessern werde! Sie werden es ja sehen, Onkelchen; ich habe noch niemals gelogen, Sie k;nnen danach fragen, wen Sie wollen. Ich bin ein ehrlicher Mensch, Onkelchen, aber ich habe nun einmal kein Gl;ck im Leben gehabt. Niemand hat mir bisher Liebes und Gutes erwiesen –«

Nun konnte er vor Schluchzen schon gar nicht mehr sprechen. Ich gab mir alle denkbare M;he, ihn zu tr;sten und zu beruhigen, und das gelang mir endlich auch; als wir vor meinem Landhause anlangten, war Mischa schon l;ngst in bleiernen Schlaf gesunken, wobei sein Haupt sich so tief herabbeugte, da; es schlie;lich auf meinen Knieen lag.

VII.

Sogleich nach unserer Ankunft wurde ein Zimmer f;r ihn in Ordnung gebracht, vor allen Dingen aber wurde f;r ihn ein Bad bereitet, das war es, worauf es dem Augenschein nach ganz besonders ankam. Seine gesammte Kleidung einschlie;lich des Dolches, der Fellm;tze und der zerrissenen Stiefel wurde zusammengepackt und in eine Kammer gelegt und daf;r erhielt er W;sche, Pantoffeln und Kleidungsst;cke von mir; wie dies merkw;rdigerweise bei armen Teufeln, die man mit solchen Gegenst;nden ausstattet, immer der Fall ist, pa;ten auch ihm die Sachen wie angemessen. Als er dann zu Tisch kam, gewaschen, sauber, frisch, da sah er so frohbewegt, so gl;cklich und dankbar aus, da; auch ich vor R;hrung und Freude mich gehoben f;hlte. Der Ausdruck seines Gesichtes hatte sich vollkommen ver;ndert. So sehen wohl zw;lfj;hrige Knaben am Ostersonntag aus, wenn sie das Abendmahl bekommen haben und nun mit ihren ;beraus stark

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leben!« Und noch kr;ftiger und schneller als zuvor arbeitete Mischa mit dem Grabscheit. »Zum Teufel auch,« dachte der Gutsherr; »was soll denn das bedeuten? Es scheint wirklich, als wolle er