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Aus der Jugendzeit

pomadisirten Haaren, in neuen Anz;gen und mit steifgest;rkten Kragen in Begleitung ihrer Eltern ausgehen, um allen lieben Verwandten und Bekannten die »Osterk;sse« zu verabreichen.

Mischa tastete fortw;hrend vorsichtig und mit der Miene eines Zweifelnden an sich selbst herum und wiederholte best;ndig: »Wie h;ngt denn das Alles zusammen? Sollte ich vielleicht doch schon im Himmel sein?«

Am andern Morgen erkl;rte er mir zum Ueberflu; auch noch, da; er vor Entz;cken und Freude w;hrend der ganzen Nacht kein Auge habe schlie;en k;nnen.

Eine alte Tante mit ihrer Nichte lebte damals bei mir in jenem Landhause. Beide waren au;erordentlich best;rzt, als sie h;rten, da; ich Mischa mitgebracht h;tte; sie konnten gar nicht begreifen, wie ich einen solchen verkommenen Menschen zu mir ins Haus nehmen k;nnte; der Ruf, der ihm voranging, war n;mlich in Wirklichkeit so ziemlich der schlechteste, den ein Mensch ;berhaupt haben kann. Nun war ich aber erstens fest davon ;berzeugt, da; er sich den Damen gegen;ber keine Freiheit herausnehmen w;rde, und zweitens hatte er mir ja fest versprochen, da; er sich bessern wolle. Und w;hrend der ersten beiden Tage rechtfertigte Mischa nicht nur die Hoffnungen, die ich auf ihn baute, sondern er ;bertraf noch in jeder Beziehung meine Erwartungen. Meine Damen waren von ihm geradezu entz;ckt. Mit der alten Tante spielte er Piquet, war ihr beim Garnwickeln behilflich und lehrte sie einige neue Arten des Patiencespieles; die Nichte, die eine allerdings nicht sehr umfangreiche Stimme hatte, begleitete er auf dem Klavier, auch las er ihr russische und franz;sische Gedichte vor. Au;erdem erz;hlte er den Damen lustige, dabei aber durchaus schickliche Anekdoten, mit einem Wort: er unterhielt sie so gut und erwies sich in kleinen Handgriffen und Dienstleistungen so geschickt und anstellig, da; sie ihr Erstaunen offen ausdr;ckten. Die Tante f;gte noch hinzu:

»Da kann man wieder einmal sehen, wie ungerecht doch die Menschen urtheilen! Was haben sie nicht Alles ;ber ihn zu erz;hlen gewu;t und wie h;flich, wie nett und artig ist er doch in Wirklichkeit. Armer Mischa!«

Nun mu; ich allerdings erw;hnen, da; der »arme Mischa« immer in besonders ausdrucksvoller Art die Lippen leckte, sobald er bei Tische eine Flasche auch nur von Weitem zu sehen bekam. Ich brauchte ihm jedoch nur mit dem Finger zu drohen, so schlug er die Augen zur Decke empor, legte die Hand aufs Herz und sagte: »Aber ich habe ja geschworen!«

»Ich bin jetzt wie vollst;ndig umgewandelt,« versicherte er mich einmal ;ber das Andere.

»Gott gebe, da; es wahr ist,« dachte ich bei mir selbst.

Leider hatte diese Umwandlung keinen langen Bestand.

W;hrend der beiden ersten Tage war er sehr gespr;chig, aufgeweckt und heiter. Aber schon am dritten Tage erschien er mir etwas verstimmt, obwohl er es noch nicht merken lassen wollte und nach wie vor bem;ht war, in Gesellschaft der Damen zu bleiben und sie zu unterhalten. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, wie aus Traurigkeit und Nachdenklichkeit gepaart, und dieses Gesicht erschien mir auch etwas bleicher und eingefallener zu sein, als an den vorhergehenden Tagen.

»Solltest Du unwohl sein?« fragte ich ihn.

»Ja,« antwortete er; »ich habe etwas Kopfschmerzen.«

Am vierten Tage war er schon vollst;ndig schweigsam. Er sa; fast immer in eine Ecke gedr;ckt, lie; wie eine kummervolle Waise den Kopf h;ngen und sein betr;btes Aussehen erweckte das innige Mitleid der beiden Damen, die nun ihrerseits Alles aufboten, um ihn zu unterhalten und zu zerstreuen. Bei Tisch a; er nichts, starrte unverwandten Blickes auf seinen Teller und drehte mechanisch Brodk;gelchen zwischen den Fingern.

Am f;nften Tage hegten die Damen nicht mehr das Gef;hl des Mitleids f;r ihn; an seine Stelle trat das des Mi;trauens und sogar der Furcht. Mischa blickte finster vor sich her; er mied jede Gesellschaft, schlich an den W;nden entlang wie Einer, der ein b;ses Gewissen hat, und drehte sich dann pl;tzlich mit schneller Wendung um, als glaubte er, da; ihn Jemand gerufen habe. Und wohin war die rosige Farbe seiner Wangen gekommen? Er sah aus, als sei er dem Grabe entstiegen.

»Bist Du noch immer unwohl?« fragte ich ihn.

»Nein, ich bin ganz wohl,« entgegnete er kurz und unwirsch.

»Langweilst Du Dich?«

»Weshalb sollte ich mich langweilen?«

Dabei wandte er sich zur Seite, als k;nnte er meinen Blick nicht ertragen.

»Ist vielleicht Dein alter Gram wieder erwacht?«

Er antwortete nichts auf diese Frage. In dieser Stimmung und Situation ging noch ein Tag vorbei. Am darauf folgenden Tage kam die Tante eiligst in mein Arbeitszimmer gelaufen; sie befand sich sichtlich in gro;er Erregung und erkl;rte kurz und b;ndig, da; sie mit ihrer Tochter das Haus verlassen werde, wenn Mischa noch l;nger in demselben bleibe.

»Aber weshalb denn?«

»Weshalb? Weil wir nicht wissen, wie wir uns vor ihm in Acht nehmen sollen, das ist ja gar kein Mensch mehr! Er l;uft herum wie ein Wolf, ja, wie ein tollgewordener Wolf! Er geht umher, immer auf und ab, spricht kein Wort dabei, und sieht Einen nur so f;rchterlich wild an! Es fehlte nur noch, da; er mit den Z;hnen fletscht. Du wei;t ja nun doch, da; meine Katia so sehr nerv;s ist. Vom Tage seiner Ankunft an hat sie sich f;r ihn interessirt. Jetzt habe ich nat;rlich Furcht, ihretwegen, und auch meinetwegen.«

Ich wu;te nicht, was ich meiner Tante antworten sollte. Unm;glich konnte ich Mischa so ohne Weiteres wieder aus dem Hause weisen, nachdem ich selbst ihn zu mir eingeladen hatte.

Er selbst befreite mich aus der sehr peinlichen Situation.

An demselben Morgen, ich hatte mein Arbeitszimmer noch nicht verlassen, h;rte ich pl;tzlich hinter mir eine dumpfe, mi;lautende Stimme.

»Nikolai Nikolajewitsch! Heda, Nikolai Nikolajewitsch!«

Ich wandte mich um; in der Th;r stand Mischa. Sein Gesicht war schrecklich anzusehen; ganz entstellt und finster blickte er drein.

»Nikolai Nikolajewitsch!« wiederholte er. (Er nannte mich nicht mehr »Onkelchen.«)

»Was willst Du?«

»Lassen Sie mich meines Weges gehen, sofort!«

»Wie meinst Du?«

»Sie sollen mich weiterziehen lassen. Sonst richte ich ein Ungl;ck an; ich stecke das Haus in Brand oder ich schlage irgend Jemanden zu Boden.«

Er erbebte und zitterte, wie vom Fieber gesch;ttelt.

»Lassen Sie mir sofort meine Sachen wiedergeben,« fuhr er fort. »Geben Sie mir einen Wagen, der mich wenigstens bis zur Landstra;e bringt, und wenn Sie dann noch wollen, geben Sie mir ein St;ck Geld auf die Wanderschaft.«

»Aber bist Du denn ;ber irgend etwas unzufrieden?« fragte ich.

»Ich kann so nicht l;nger leben!« schrie er mit aller Kraft seiner Lungen. »Ich kann nicht in Ihrem verdammt anst;ndigen, in Ihrem Herrschaftshause leben! Es ekelt mich an! Ich sch;me mich, so ruhig dahinzuleben! Wie k;nnen Sie selbst das nur ertragen?«

»Mit andern Worten,« unterbrach ich ihn meinerseits, »Du willst sagen, da; Du ohne Branntwein nicht bestehen kannst.«

»Nun ja! Nun ja!« br;llte er. »Lassen Sie mich doch nur wieder zur;ck zu meinen Br;dern, zu meinen lieben Freunden, den Bettlern. Zum Teufel mit Ihrer widerw;rtig anst;ndigen, Ihrer vornehmen und gebildeten Gesellschaft!«

Ich wollte ihn anf;nglich an das mir gegebene Versprechen erinnern, das er noch dazu mit einem Eide beschworen hatte; aber sein furchtbar erregter Gesichtsausdruck, das abgerissene, sto;weise Sprechen, das konvulsivische Zittern aller seiner Gliedma;en, das Alles war so schrecklich, da; ich mich beeilte, mit ihm auseinanderzukommen. So erkl;rte ich ihm denn, da; er sofort seinen fr;heren Anzug wiedererhalten solle und da; man eine Telega anspannen werde; dann nahm ich eine F;nfundzwanzigrubelnote aus dem Schranke und legte sie auf den Tisch. Mischa kam drohend auf mich zu, pl;tzlich aber blieb er stehen, er stutzte und sein Gesicht war wie von Blut ;berg;ssen. Dann schlug er sich vor die Brust, Thr;nen liefen ihm aus den Augen, er stammelte: »Onkelchen, Du mein Engel! Ich bin ein verlorener Mensch! Dank! Dank!«

Damit ergriff er die Banknote und lief davon.

Eine Stunde sp;ter sa; er bereits auf der f;r ihn angespannten Telega; wieder war er als Tscherkesse gekleidet, wieder sah er rosig und heiter aus, wie nur je zuvor. AIs die Pferde anzogen, schrie er vor Freude laut auf, ri; die Fellm;tze vom Kopf, schwenkte sie ;ber seinem Haupte und machte dann eine Verbeugung nach der andern. Einen Moment vor seiner Abreise hatte er mich noch lange umarmt, mich fest an seine Brust gedr;ckt und dabei gestammelt: »Mein Wohlth;ter! Du mein Wohlth;ter! Ich bin ja doch nicht mehr zu retten!« Er war auch zu den Damen gelaufen, hatte ihre H;nde mit K;ssen bedeckt, war vor ihnen auf die Knie gesunken, hatte Gott angerufen und ihn um Verzeihung f;r sein Thun gebeten. Als der Wagen sich entfernt hatte, fand ich Katia in Thr;nen.

Der Kutscher, mit welchem Mischa abgefahren war, erz;hlte mir nach seiner Heimkehr, da; er Jenen bis zur ersten an der Landstra;e belegenen Schenke gefahren habe. Ihn von dort wieder fortzubringen habe er kein Mittel gefunden. Mischa hatte alle Anwesenden eingeladen, auf seine Kosten zu trinken, und bald war er wieder so bezecht gewesen, da; er besinnungslos auf der Bank lag.

Seit jener Zeit bin ich mit meinem Neffen nicht mehr zusammengetroffen. Was ich aber ;ber seinen Ausgang von anderer Seite vernommen, will ich hier noch kurz erz;hlen.

VIII.

Es mochten seit den eben geschilderten Ereignissen etwa drei Jahre verflossen sein, als ich mich wieder einmal auf meinem Landgute befand. Ein Diener trat zu mir ins Zimmer und sagte, da; eine Frau Poltew mich zu sprechen w;nsche. Ich kannte nun keine Frau Poltew und der Diener hatte auch, als er mir die Meldung machte, auf etwas sarkastische Art gel;chelt. Auf meinen fragenden Blick theilte er mir mit, da; die Dame, welche mich zu sprechen w;nsche, jung sei, ;rmliche Kleidung trage und in einem Bauernwagen angekommen sei, dessen einziges Pferd sie selbst gelenkt habe.

Ich lie; der Frau Poltew sagen, da; ich sie in meinem Arbeitszimmer sprechen werde.

Bald stand ich einer etwa f;nfundzwanzigj;hrigen Frau gegen;ber, die den Anzug des kleinen B;rgerstandes trug und ein Tuch um den Kopf geschlungen hatte. Das Gesicht bot nichts ungew;hnliches; es war ein bischen rund, deshalb aber nicht ohne Anmuth. Sie hielt die Augen gesenkt – sp;ter konnte ich bemerken, wie kummervoll und traurig ihr Blick war. Alle

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pomadisirten Haaren, in neuen Anz;gen und mit steifgest;rkten Kragen in Begleitung ihrer Eltern ausgehen, um allen lieben Verwandten und Bekannten die »Osterk;sse« zu verabreichen. Mischa tastete fortw;hrend vorsichtig und mit