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Aus der Jugendzeit

Kaiserin Katharina; sie blieb vor ihm stehen, und indem sie mit dem F;cher auf ihn deutete, sagte sie laut zu einem Herrn ihres Gefolges: »Sieh doch nur, Adam Wassiljewitsch, welch’ ein h;bscher Mensch das ist. Man glaubt wirklich, eine Puppe vor sich zu haben.«

Dem armen jungen Mann drehte sich Alles vor den Augen im Kreise herum. Kaum war er in seiner Wohnung wieder angelangt, als er auch schon den Wagen anspannen lie;, und nachdem er das Band des Annenordens angelegt hatte, fuhr er in der Stadt spazieren mit der Miene und den Manieren Eines, der bereits der erkl;rte G;nstling geworden.

»Fahr’ ;ber Alle hinweg!« schrie er seinem Kutscher zu. »H;rst Du wohl? Du sollst ;ber Alle hinwegfahren, die mir nicht ausweichen!«

Das wurde nat;rlich zur Kenntni; der Kaiserin gebracht. Die Folge davon war, da; der junge Mann f;r toll erkl;rt und zweien seiner Br;der zur Bewachung ;bergeben wurde. Diese machten auch nicht viel Federlesens, brachten ihn aufs Land, schlossen seine F;;e mit Ketten an einander und sperrten ihn in ein steinernes Gewahrsam. Da sie das Verm;gen des Bedauernswerthen f;r sich selbst haben wollten, so hielten sie ihn auch dann noch gefangen, als er schon l;ngst wieder zur Vernunft gekommen war. Schlie;lich war er so lange, unter dem Verdacht wahnsinnig zu sein, festgehalten worden, bis er thats;chlich den Verstand verlor.

Dieser niedertr;chtige Streich brachte ihnen aber keinen Vortheil. F;rst L. ;berlebte seine Br;der und nach zahllosen Schwierigkeiten und Scheerereien kam er endlich, halb durch Zufall, unter die Vormundschaft Telegins, der auf irgend eine Weise mit ihm verwandt war. Er war ein dicker, vollkommen kahlk;pfiger Mann mit langer, spitzer Nase und blauen aus dem Kopfe hervorstehenden Augen. Er hatte das Sprechen mit der Zeit vollkommen verlernt und stie; nur unartikulirte Laute aus. Aber zum Singen hatte er bis ins hohe Alter eine treffliche, silberhell klingende Stimme sich bewahrt und russische Volkslieder trug er wirklich entz;ckend vor. Beim Singen brachte er auch jedes einzelne Wort vollkommen klar und wohllautend zum Ausdruck.

Von Zeit zu Zeit hatte er Anf;lle von Tobsucht und dann war er wahrhaft schrecklich. Er stellte sich dann in eine Ecke, drehte das Gesicht der Wand zu und stie;, w;hrend sein Gesicht roth und schwei;bedeckt war und sogar die Glatze dunkelroth erschien, ein gellendes Lachen aus, stampfte mit den F;;en und befahl, irgend Jemanden – wahrscheinlich hatte er dabei seine Br;der im Sinn – aufs Allerstrengste zu bestrafen.

»Schlage!« br;llte er auf, w;hrend ein Lachanfall ihn fast zu ersticken drohte. »Peitsche ohne Erbarmen darauf los! Schlage! Schlage diese Ungeheuer, meine Feinde! Gut so, gut so, immer noch kr;ftiger!«

Am Vorabende von des F;rsten Tod trug sich etwas zu, was Alexis Sergejewitsch in h;chsten Schrecken versetzte. Bla; und sehr still trat der Tolle in das Zimmer meines Onkels, verneigte sich tief, dankte f;r das Obdach und alle die Unterst;tzungen, die ihm in diesem Hause zu Theil geworden waren und bat dann, zu einem Geistlichen zu schicken, denn der Tod sei ihm genaht – er habe ihn schon gesehen; deshalb sei es jetzt auch an der Zeit, von Allen Abschied zu nehmen und an sein Seelenheil zu denken.

»Du hast den Tod gesehen?« murmelte ganz entsetzt Telegin, der zu gleicher Zeit aufs H;chste erstaunt war, denn er hatte noch niemals zuvor Jenen in so zusammenh;ngender Weise reden h;ren. »Wie sah er denn aus? Trug er eine Sense?«

»Nein,« erwiderte F;rst L. »Es war einfach ein altes, mit einer Jacke bekleidetes Weib. Es hatte nur ein einziges Auge – mitten auf der Stirn. Ein solches Auge bekommt man in aller Ewigkeit nicht zum zweiten Male zu sehen.«

Wirklich starb F;rst L. am n;chsten Tage, und zwar starb er bei vollst;ndiger Klarheit des Geistes, nachdem er mit dem Geistlichen gesprochen und sich von allen Hausgenossen verabschiedet hatte.

»Auch ich werde so sterben,« sagte Telegin zuweilen. Und ziemlich ;hnlich ging es in der That bei seinem Tode zu; doch das werde ich sp;ter erz;hlen. Vorerst wollen wir zu unserm eigentlichen Gegenstande zur;ckkehren.

Mit seinen Nachbarn unterhielt Telegin, wie ich schon sagte, nur ;u;erst geringf;gigen Verkehr, und auch sie mochten ihn nicht besonders leiden; sie bezeichneten ihn als einen Sonderling, als stolz, sp;ttisch und sogar als einen »Martinisten«, womit sie einen Menschen bezeichnen wollten, der die Pflichten, welche er der Obrigkeit gegen;ber hatte, nicht anerkennen wollte.

Die Leute hatten dabei bis zu einem gewissen Grade sogar Recht. Alexis Sergejewitsch hatte fast siebzig Jahre hintereinander auf seiner Besitzung Suchodol verlebt und war dabei zu den Beh;rden, zu der Verwaltung und zum Gericht fast in gar keine Beziehung getreten.

»Das Gericht ist f;r die R;uber geschaffen, die Verwaltungsbeh;rden sind wegen der Soldaten da,« pflegte er zu sagen. »Gott sei Dank bin ich aber weder R;uber noch auch Soldat.«

Ein Sonderling war der alte Herr in mancher Beziehung ganz entschieden; aber eben so sicher ist, das seinem Wesen alles Niedrige und Kleinliche fremd war.

Ich habe niemals genau erfahren k;nnen, welcher Art eigentlich seine politischen Anschauungen waren – wenn es ;berhaupt gestattet ist, einen so modernen Ausdruck auf die damalige Zeit und einen ihrer Vertreter anzuwenden. Alles in Allem genommen, war er ein Aristokrat und zwar noch mehr Aristokrat als das, was man in Ru;land gemeiniglich mit »gro;er Herr« zu bezeichnen pflegt. Einigemale gab er seinem Bedauern dar;ber Ausdruck, da; Gott ihm keinen Sohn und Erben geschenkt habe, »um das Geschlecht zu Ehren zu bringen und die Familie zu erhalten.« An der Wand seines Zimmers hing in einem vergoldeten Rahmen der sehr verzweigte Stammbaum der Telegins; es waren da eine Menge Kreise zwischen die Bl;tter gezeichnet, da; es aussah, als hingen Aepfel von den Zweigen herab.

»Wir Telegins,« sagte er, »sind ein altes Geschlecht, das sein Bestehen schon in der grauen Vorzeit nachweisen kann. Aber so viel wir unserer auch waren, niemals sah man Einen von uns sich in den Vorzimmern der Gro;en herumdr;cken. Nie hat sich ein Telegin auf dem Treppenflur des Czarenpalastes die Beine m;de gestanden, niemals sich eine Gnadenstelle ausgebeten, niemals einen Schmuck getragen, den er erbeten h;tte, niemals in Moskau oder in Petersburg intriguirt. Wir blieben immer h;bsch daheim. Jeder sa; auf seiner Scholle – wir liebten unser Nest und blieben ihm treu. Wir sind Eingesessene, mein Junge! Ich selbst habe zwar in der Garde gedient, aber auch das hat, Gott sei Dank, nicht lange gedauert.«

Alexis Sergejewitsch hatte eine an Schw;che grenzende Vorliebe f;r die gute alte Zeit.

»Damals war man viel freier, viel selbstst;ndiger und w;rdiger, das kann ich auf mein Ehrenwort versichern. Aber seit dem Jahre eintausendachthundert –« (weshalb gerade von diesem Jahre an, hat er niemals n;her erkl;rt), »aber seit diesem Jahre hat das Milit;rhandwerk die Oberhand gewonnen. Die Herren Soldaten setzten sich damals Federb;sche aus Hahnenschw;nzen auf den Kopf und glichen nun selbft H;hnen. Sie reckten den Hals, da; sie gar nicht mehr sprechen, sondern nur noch kr;chzen konnten und dabei rissen sie die Augen auf, da; sie ihnen f;rmlich aus dem Gesichte herausquollen. Einmal kommt solch ein Polizeikorporal zu mir und sagt: ›Euer Hochwohlgeboren‹ – damit wollte er mir wahrscheinlich imponiren; als ob ich nicht selbst w;;te, da; ich ein Edelmann bin – also er sagt: ›Euer Hochwohlgeboren, ich habe mit Ihnen ein Gesch;ft abzuwickeln.‹ Ich aber erwiderte ihm: ›Verehrter Herr, machen Sie sich vor allen Dingen erst die Kn;pfe an Ihrem Rockkragen auf, denn Sie k;nnten unversehens niesen – und wissen Sie, was dann passirt? Dann m;ssen Sie zerspringen, wie eine Granate – Gott soll Sie davor bewahren. Und ich werde dann wohl gar f;r Ihren Tod verantwortlich gemacht.‹ Und trinken k;nnen diese Herren Milit;rs, das geht ins Unglaubliche. Ich lasse ihnen immer von meinem donischen Champagner reichen, denn ob Champagner oder Pontac – ihnen flie;t Alles gleich leicht und schnell durch die Kehle. Wozu also erst noch lange einen Unterschied machen? Und dann haben sie noch eine neue Erfindung gemacht, den Lutschbeutel, an dem sie immer saugen – ich meine die Tabackspfeife. Solch ein Soldat steckt sich den Lutschbeutel in den gro;en Mund unter den borstigen Schnurrbart, st;;t dann den Dampf durch Nase, Mund und selbst durch die Ohren aus und glaubt dann Wunder welch gro;er Held zu sein. Sogar meine Schwiegers;hne, von denen der Eine doch Senator ist und der Andere so etwas, was man, glaube ich, Kurator nennt, saugen an diesen neumodischen Lutschbeuteln und glauben dabei, Menschen mit ganz gesunden Sinnen zu sein.«

Genau wie gegen den Rauchtabak hatte Alexis Sergejewitsch auch eine tiefe Abneigung gegen Hunde, ganz besonders gegen die kleinen.

»Wenn Du ein Franzose bist,« sagte er, »so magst Du meinetwegen solch ein Vieh um Dich haben. Du l;ufst, Du springst – hierhin – dorthin – und es folgt Dir immer nach, es springt, den Schwanz in die H;he gerichtet, immer um Dich herum. Aber was sollen wir Russen mit solcher Bestie anfangen?«

Von der Kaiserin Katharina sprach er immer mit wahrer Begeisterung und in sehr wohlgesetzter Redeform, sogar mit gesuchten Ausdr;cken.

»Ein Halbgott war sie, kein gew;hnliches Menschenkind! Betrachte nur einmal, mein Junge, dieses L;cheln,« fuhr er fort, indem er respektvollst auf das Lampi’sche Portr;t deutete, »dann wirst Du mit mir darin ;bereinstimmen, da; sie ein Halbgott gewesen. Einmal in meinem Leben bin ich so gl;cklich gewesen, gew;rdigt zu werden, dieses L;cheln in Wirklichkeit zu schauen und in meinem Herzen wird, so lange ich lebe, der Eindruck nicht verwischt werden, den ich davon empfangen.«

Dann theilte er mir Anekdoten aus dem Leben Katharina’s mit und zwar waren dies meistens solche, die ich nirgends sonst weder geh;rt noch gelesen habe. Hier eine derselben:

Alexis Sergejewitsch gestattete Niemandem, auch nur die leiseste Anspielung auf die bekannten Schw;chen der gro;en Kaiserin zu machen. »Man hat ja schlie;lich auch nicht das Recht,« pflegte er dabei zu sagen, »;ber diese erhabene Frau so zu urtheilen, wie ;ber gew;hnliche Menschen.« Eines Morgens sa; sie bei der Toilette in ihren Pudermantel geh;llt und lie;

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Kaiserin Katharina; sie blieb vor ihm stehen, und indem sie mit dem F;cher auf ihn deutete, sagte sie laut zu einem Herrn ihres Gefolges: »Sieh doch nur, Adam Wassiljewitsch, welch'