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Aus der Jugendzeit

und m;chtige Hand; bedenke doch nur: der Gouverneur speist sehr h;ufig bei ihm. Er ist im Stande, mir Soldaten auf den Hals zu schicken, blos um den Burschen herauszubekommen. Und das mu; ich doch sagen: Vor Soldaten habe ich jetzt einen gro;en Respekt. Ja, fr;her, als ich noch jung war, da h;tte ich den Iwan nicht herausgegeben; ich h;tte ihn vertheidigt gegen alle Angriffe und Ma;regeln. Aber jetzt – sieh mich doch nur an, und Du mu;t zugeben, da; ich zu schwach und hinf;llig zum Widerstand bin. Ich w;rde einen sch;nen K;mpfer abgeben!«

Wirklich war Alexis Sergejewitsch au;erordentlich gealtert, seitdem ich ihn zum letzten Male gesehen. Sogar die Pupillen seiner Augen hatten jenes milchfarbige Aussehen bekommen, wie man es bei ganz kleinen Kindern findet, und das selbstbewu;te L;cheln, das sonst um seine Lippen spielte, hatte jenem gezwungen-s;;lichen L;cheln Platz gemacht, das man bei ganz alten Leuten so h;ufig findet und dann von diesen nicht einmal w;hrend des Schlafes weicht.

Ich machte Iwan von dem Entscheide Telegins Mittheilung. Der arme Bursche stand eine ganze Zeit lang unbeweglich, schweigend, nur hin und wieder mit dem Kopfe sch;ttelnd.

»Also gut,« sagte er endlich; »seinem Schicksal kann Niemand entgehen. Aber es bleibt bei dem, was ich einmal gesagt habe. Jetzt will ich mich aber bis zum Ende auch recht lustig machen. Herr – bitte, schenken Sie mir eine Kleinigkeit zum Trinken.«

Ich gab ihm Geld; er trank sich einen t;chtigen Rausch an und an demselben Tage tanzte er das »Fischchen« mit solchem ungew;hnlichen Aufwande von Kraft und Geschicklichkeit, da; die jungen M;dchen und die Frauen aus dem Dorfe vor Entz;cken einmal ;ber das Andere laut aufschrieen.

Am n;chsten Tage verlie; ich das Gut meines Onkels. Drei Monate sp;ter – ich hielt mich schon in Petersburg auf – erfuhr ich, da; Iwan sein Wort gehalten, seine Drohung wahr gemacht habe. Man hatte ihn zu seinem neuen Herrn geschickt; dieser lie; ihn in sein Kabinet kommen und theilte ihm mit, da; er ihn als Kutscher verwenden werde, da; man ihm ein Dreigespann mit Wiatka’schen Pferden anvertrauen und da; er unnachsichtig und aufs Strengste bestraft werden w;rde, wenn er nicht Pferde und Wagen in bester Ordnung halte oder sich auch sonst irgendwie die geringste Nachl;ssigkeit zu Schulden kommen lasse.

»Dabei bleibt es, und ich sage so etwas nicht zum Scherz,« schlo; er seine Erkl;rung. Nachdem Iwan seinem Herrn aufmerksam und respektvoll bis zu Ende angeh;rt hatte, verbeugte er sich zuerst tief und erkl;rte dann sehr freim;thig, da; Alles so gehen m;ge, wie es Seiner Gnaden beliebe, da; er aber niemals der Diener Seiner Gnaden werden k;nne.

»Lassen Sie mich meinetwegen Bauer werden und das Land bestellen; ich will Ihnen einen t;chtigen Jahreszins z;hlen. Lassen mich Euer Gnaden auch lieber Soldat werden! Thun Sie es nicht, so k;nnte leicht ein Ungl;ck geschehen!«

Den Gutsherr gerieth in Zorn.

»Kerl, was f;llt Dir ein? Du unterstehst Dich, mir solche Dinge zu sagen? Erstens mu;t Du wissen, da; man mich mit ›Excellenz‹ anredet und nicht blo; mit ›Euer Gnaden‹; zweitens bist Du schon zu alt, um noch als Soldat verwendet werden zu k;nnen, Du hast auch gar nicht die Figur dazu, und schlie;lich – was ist das f;r ein Ungl;ck, mit dem Du zu drohen wagst. Hast Du Dir etwa vorgenommen, mir das Haus ;ber dem Kopfe anzustecken?«

»Nein, Excellenz, an Brandstiften habe ich nicht gedacht.«

»Du willst mich also ermorden?«

Iwan schwieg einen Augenblick.

»Ich bin nun einmal kein Diener f;r Sie,« sagte er dann.

»Nun, ich will es Dich schon lehren! Du sollst schon erfahren, ob Du mir dienen kannst, oder nicht,« br;llte der Herr.

Er lie; Iwan streng bestrafen und befahl dann, da; ihm das Wiatka’sche Dreigespann ;bergeben und er als Kutscher angestellt werde.

Iwan schien sich dem Befehle zu f;gen und that seinen Kutscherdienst. Da er in diesem Fache wirklich Meister war, so gefiel er seinem neuen Herrn immer mehr, und dies auch deswegen, weil er in seinem Benehmen still und bescheiden war und die Pferde bei seiner Art der Behandlung sichtlich gediehen. Die G;ule wurden mit der Zeit rund wie »Gurken« und es war ein Vergn;gen sie zu betrachten.

Der Gutsherr zog ihn schlie;lich allen andern Kutschern vor und fuhr am liebsten mit ihm.

Einmal sagte er zu ihm: »Denkst Du noch an unsere erste Unterredung, Iwan? Damals schien es kaum, da; wir so gut zu einander passen. Nun, ich hoffe doch, da; Dir die tollen Ideen aus dem Kopfe gegangen sind.«

Iwan hatte kein Wort der Erwiderung.

Einmal, es war um den Tag der heiligen drei K;nige, fuhr der Herr wieder mit Iwan in die Stadt; der Schlitten war mit Teppichen ausgelegt und hell klingende Schellen schm;ckten die drei Pferde. Als man sich einem H;gel n;herte und die Fahrt allm;lig bergan ging, trabten die G;ule nicht mehr, sondern schritten nur langsam vorw;rts. Iwan sprang von seinem Kutschersitz ab und ging hinter dem Schlitten her, als suche er etwas, das er bei der Fahrt verloren.

Es herrschte eine grimmige K;lte. Der Herr sa; in Pelze geh;llt und hatte eine Biberm;tze bis fast auf die Augen herabgezogen. Da zog Iwan ein Beil hervor, welches er bisher unter seinem Rocke verborgen gehalten hatte, n;herte sich seinem Herrn von hinten, schlug ihm die Pelzm;tze vom Kopfe und sagte: »Peter Petrovitsch! Ich habe Dich gewarnt, als es noch Zeit war; jetzt hast Du keinem Andern die Schuld zuzuschreiben, als Dir selbst!«

Dann lie; er das Beil auf seinen Herrn niederfallen und spaltete ihm mit einem einzigen Schlage den Sch;del. Darauf hielt er die Pferde an, setzte seinem nunmehr todten Herrn wieder die M;tze auf, und nachdem er seinen Platz auf dem Kutscherbock wieder eingenommen h;tte, fuhr er weiter nach der Stadt und zwar geraden Weges zum Gericht. »Hier,« sagte er zu den Beamten, »bringe ich Euch den General Suchich, meinen Herrn, den ich erschlagen habe. Ich habe es ihm vorher angek;ndigt und habe nun mein Versprechen eingel;st. Jetzt bindet mir meinetwegen die H;nde.«

Iwan wurde festgenommen; er kam vor die Richter und wurde zur Knute sowie zur Zwangsarbeit verurtheilt. Der einst so lustige T;nzer, der gem;thliche Spa;vogel mu;te in die Bergwerke hinabsteigen – und da ist er verschollen und f;r alle Zeiten verschwunden.

Ja, bei solchen Erinnerungen mu; man unwillk;rlich Alexis Sergejewitsch Telegins Ausspruch wiederholen: Die alten Zeiten waren doch sch;n. Nur da; wir es in einem andern Sinne sagen.

Der Verzweifelte.

I.

Wir sa;en unserer acht im Zimmer; das Gespr;ch drehte sich um die j;ngsten Tagesereignisse und um die Menschen, die mit ihnen verbunden waren.

»Ich verstehe diese Leute und ihren Charakter gar nicht mehr,« sagte Einer der Anwesenden; »sie handeln so wild, so unberechenbar – sie benehmen sich gerade wie Verzweifelte. Ich glaube, so lange die Welt steht, ist etwas Aehnliches nicht erh;rt gewesen.«

»O, es ist doch schon dagewesen,« warf P. ein, ein alter Mann, dessen Haare schon silbergrau gl;nzten – er war in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts geboren. »Es gab auch in fr;heren Zeiten verzweiflungsvolle Menschen, nur glichen sie denjenigen nicht, welche wir heute als Verzweifelte ansehen. Gelegentlich eines Gespr;ches ;ber den Dichter Jasykow bemerkte einmal Jemand, da; seine Begeisterung eine ganz eigenth;mliche war – sie hatte n;mlich nichts Bestimmtes zum Objekt; gerade so k;nnte man auch von den Leuten, welche ich bei meiner Bemerkung im Sinne habe, sagen, da; ihre Verzweiflung eine gegenstandslose gewesen sei. Wenn es Ihnen recht ist, will ich Ihnen die Geschichte meines Gro;neffen Mischa Poltew erz;hlen. Sie mag Ihnen als Probe daf;r dienen, welcher Art die damaligen Verzweifelten waren.

Er kam, wenn ich mich recht erinnere, im Jahre 1828 zur Welt, und zwar wurde er auf dem Erbgute seines Vaters geboren im fernsten Winkel eines von jedem Verkehr abgelegenen Steppen-Gouvemements. An Mischa’s Vater, Andrej Nikolajewitsch Poltew, kann ich mich noch recht gut erinnern – er war ein richtiger Steppenjunker, ein Gutsbesitzer vom alten Schlage, brav und fromm, ziemlich unterrichtet – wenigstens im Verh;ltni; f;r die damalige Zeit – im Gro;en und Ganzen aber, um es gerade heraus zu sagen, waren seine Geistesgaben nicht eben die bedeutendsten. Nebenbei bemerkt, er litt etwas an Epilepsie. Es ist ja eine alte Geschichte, da; in vielen unserer Adelsgeschlechter diese Krankheit erblich ist – man kann auch von ihr sagen, da; sie von altem Schlage sei. Die Anf;lle, denen Andrej Nikolajewitsch unterworfen war, waren ;brigens nicht heftiger Art; sie endeten gew;hnlich mit furchtbarer Abspannung, der ein tiefer Schlaf folgte. Andrej’s Wesen war liebensw;rdig und freundlich; man konnte ihm auch eine gewisse W;rde nicht absprechen. So, wie ich ihn kannte, habe ich mir immer den Czar Michael Feodorowitsch [Michael Feodorowitsch Romanow begr;ndete im Jahre 1613 die jetzt in Ru;land herrschende Dynastie.] vorgestellt.

Andrej Nikolajewitsch’s ganzes Dasein wurde ausgef;llt durch die strenge Beobachtung und Innehaltung aller von Alters her bestehenden Sitten und Gebr;uche, den Sitten und Gebr;uchen des strenggl;ubigen »alten heiligen Ru;lands«. Wenn er aufstand und sich niederlegte, wenn er speiste und trank, ins Bad ging, sich belustigte oder sich ;rgerte (das Eine geschah ;brigens so selten wie das Andere), wenn er die Pfeife rauchte und Karten spielte (zwei gro;e Neuerungen!), so handelte er nicht etwa nach pers;nlicher Laune oder nach eigenem Gutd;nken, sondern nur mit geziemender Strenge so, wie seine Vorfahren zu handeln vorgeschrieben hatten.

Er war von hoher Figur und ziemlich wohlbeleibt, hatte eine sanft und etwas heiser klingende Stimme, wie man sie bei fast allen frommen Russen h;rt. In W;sche und Kleidung war er peinlichst auf Sauberkeit bedacht; er trug gew;hnlich eine wei;e Halsbinde, einen tabacksfarbigen Ueberrock mit langen Sch;;en. Aber seine adlige Abstammung kam doch, trotz dieser unscheinbaren H;lle, bei ihm immer zum Vorschein; Niemand w;rde ihn f;r einen Priestersohn oder f;r einen Kaufmann gehalten haben. Immer, aber wirklich in allen Lebenslagen und unter allen nur erdenklichen Umst;nden wu;te Andrej Nikolajewitsch aufs Genaueste, was er zu thun hatte, wie er sprechen mu;te und in welcher Weise er sich am besten ausdr;cken sollte; bei Unf;llen

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und m;chtige Hand; bedenke doch nur: der Gouverneur speist sehr h;ufig bei ihm. Er ist im Stande, mir Soldaten auf den Hals zu schicken, blos um den Burschen herauszubekommen. Und