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Aus der Jugendzeit

konnte er Medizinen und sonstige Heilmittel verschreiben und ihre Anwendung n;her bestimmen; er verstand sich auf die Deutung von ;u;eren Anzeichen, er wu;te, welche Gl;ck oder Ungl;ck im Gefolge haben und welchen keine Aufmerksamkeit weiter zu schenken ist – mit einem Worte: er wu;te, was in jedem einzelnen Fall zu thun war. ›Unsere Altvordern‹, pflegte er zu sagen, »haben schon Alles vorausgesehen und bestimmt und wir haben nur n;thig, uns an sie als an unsere F;hrer zu halten. Die Hauptsache allerdings ist, da; wir stets auf Gott vertrauen und da; wir nichts ohne festen Glauben an seine H;lfe unternehmen.«

Dir Wahrheit zu sagen: in seinem Hause herrschte eine gradezu t;dtliche Langeweile; in diesen niedrigen Zimmern, in denen es so schw;l und dunkel war, herrschte immer ein Geruch nach Weihrauch und Fastenspeisen und aus allen Winkeln schienen die Litaneien und die Ges;nge der Abendandachten widerzuhallen.

Er verheirathete sich, als er schon ziemlich bei Jahren war, mit einem armen, aus der Nachbarschaft stammenden Fr;ulein, das in einem Institute erzogen war; es war eine kr;nkliche und nerv;se Person. Sie spielte ziemlich gut Klavier unk sprach franz;sisch mit jenem Accent, der in den Instituten den Sch;lerinnen gew;hnlich anerzogen wird. Im Uebrigen war sie ein Wenig exaltirt und gab sich gern einem unbegr;ndeten Tr;bsinn hin, in welcher Stimmung sie leicht bittere Thr;nen vergo;. Kurz, ihr Charakter hatte etwas Unst;tes, Ruheloses. Da sie ihr Leben f;r verfehlt hielt, konnte sie auch ihren Gatten nicht lieben, der ihr nat;rlicher Weise »kein Verst;ndni; entgegenbrachte«; aber sie achtete ihn und ertrug ihn, wie er nun einmal war. Da sie sehr ehrenhaft war und ein ;beraus k;hles Temperament hatte, richteten sich ihre Gedanken auch nicht etwa auf einen andern »Gegenstand«. Dazu kam auch noch, da; sie den Kopf best;ndig voll von Sorgen hatte, zun;chst ;ber ihre eigene, wirklich sehr schwache Gesundheit; zweitens ;ber die ihres Gatten, dessen Anf;lle ihr immer etwas wie abergl;ubische Furcht einfl;;ten. Schlie;lich war sie auch um ihren einzigen Sohn Mischa sehr besorgt, den sie mit gro;em Eifer selbst erzog. Andrej Nikolajewitsch legte seiner Gattin kein Hinderni; in den Weg, sich mit Mischa nach Gutd;nken zu besch;ftigen – nur eine Bedingung hatte er gestellt: Unter keinen Umst;nden sollten jene Grenzen ;berschritten werden, die nun einmal von Alters her bestimmt waren, und innerhalb welcher sich Alles in seinem Hause zu bewegen hatte.

Um ein Beispiel anzuf;hren: In der Weihnachtswoche und am Neujahrstage war es Mischa erlaubt, mit den andern Kindern im Orte sich zu verkleiden und allerhand Scherz zu treiben; ja es war ihm dies nicht nur erlaubt, sondern es wurde ihm geradezu zur Pflicht gemacht. Wenn er sich dasselbe aber auch zu einer andern Zeit h;tte einfallen lassen, so w;re es ihm sicherlich schlimm ergangen.

II.

Ich kann mich Mischa’s noch erinnern, als er dreizehn Jahre alt war. Damals war er ein h;bscher Junge mit rosigen Wangen und weichen Lippen – wie er denn ;berhaupt weich und voll in seiner k;rperlichen Anlage war – und feucht schimmernden Augen, sorgf;ltig gek;mmt und gekleidet, bescheiden und freundlich, fast wie ein M;dchen. Nur eines mi;fiel mir an ihm: Er lachte selten, und wenn er einmal lachte, so standen seine gro;en, wei;en, wie bei einem Raubthier spitzigen Z;hne unangenehm vor; sein Lachen klang gellend, roh, beinahe thierisch, und dabei funkelte es so b;se und unheimlich in seinen Augen.

Die Mutter lobte ihn fortw;hrend, weil er so ungemein folgsam und bescheiden sei, niemals an der Gesellschaft loser Knaben Gefallen f;nde und sich weit lieber in derjenigen von Frauen aufhalte.

»Der Junge ist verweichlicht, ein richtiges Mutters;hnchen,« sagte der Vater von ihm. »Aber er geht gern in die Kirche und das macht mir Freude.«

Ein Nachbar, ein alter, sehr vern;nftiger Mann, der fr;her Friedensrichter im Distrikt gewesen war, sagte mir einmal, als wir von Mischa sprachen, mit Bezug auf diesen: »Passen Sie auf, das wird noch einmal ein Revolution;r!«

Diese Prophezeiung setzte mich, wie ich mich erinnere, damals sehr in Erstaunen. Allerdings mu; ich hinzuf;gen, da; der Friedensrichter a. D. sehr leicht geneigt war, in einem etwas ungew;hnlich angelegten Menschen gleich einen Revolution;r zu erblicken.

Ein solcher Musterknabe blieb Mischa bis zu seinem achtzehnten Jahre, bis zu dem Zeitpunkte, als seine Eltern starben, die ;brigens Beide an einem und demselben Tage aus dem Leben schieden. Da ich best;ndig in Moskau meinen Aufenthalt hatte, erhielt ich ;ber das Leben und Treiben meines jungen Verwandten keine zuverl;ssigen Mittheilungen. Ein Herr, der aus jenem Gouvernement stammte und mit dem ich zuf;llig in Moskau zusammentraf, erz;hlte mir zwar, da; Mischa sein Stammgut f;r einen Spottpreis verkauft habe, das erschien mir aber so unwahrscheinlich, da; ich an der Richtigkeit der Nachricht zweifelte. Da jagt eines sch;nen Morgens, es war im Herbst, eine mit zwei herrlichen Trabern bespannte Kalesche, auf deren Bock ein ungeheuerlich aussehender Kutscher sich breit machte, auf den Hof meines Hauses, h;lt vor der Eingangsth;re still, und in dieser Kalesche sitzt, geh;llt in einen Offiziersmantel mit riesengro;em Pelzkragen und die Milit;rm;tze so recht verwegen auf einem Ohre tragend – Mischa! Wirklich, mein lieber Verwandter Mischa war angekommen!

Als er mich erblickte (ich stand an einem Fenster des Salons und blickte erstaunt auf die Equipage, die so pl;tzlich bei mir vorfuhr), wollte er sich aussch;tten vor Lachen; sein Lachen war noch immer so gellend und unangenehm scharf, wie fr;her. Dann warf er mit einer schnellen Bewegung den Mantel ab, sprang aus dem Wagen und trat in mein Haus.

»Mischa! Michael Andrejewitsch!« begr;;te ich ihn. »Sind Sie es denn wirklich?«

»Sagen Sie doch ‘Du’ zu mir und nennen Sie mich einfach Mischa,« unterbrach er mich. »Ich bin’s ;brigens, bin’s in eigener Person und ganz leibhaftig. Ich bin hierher nach Moskau gekommen, um mir die Leute ein Bischen anzusehen und mich selbst ansehen zu lassen. Nat;rlich wollte ich doch auch Sie begr;;en! Wie finden Sie meine Traber? He?«

Wieder lachte er laut.

Obgleich fast sieben Jahre verflossen waren, seitdem ich Mischa zum letzten Male gesehen, hatte ich ihn doch sofort wiedererkannt. Sein Gesicht hatte das jugendliche Aussehen bewahrt und es war auch noch ebenso rosig wie fr;her; von einem Schnurrbart war noch nicht die leiseste Spur wahrzunehmen. Die Wangen sahen jedoch etwas aufgedunsen aus und sein Athem duftete entsetzlich nach Branntwein.

»Bist Du denn schon lange in Moskau?« fragte ich. »Ich glaubte Dich ruhig bei der Bewirthschaftung Deines Gutes.«

»Meines Gutes? Ach, wie lange habe ich das schon verkauft? Kaum waren meine Eltern – Gott schenke ihnen die ewige Seligkeit – gestorben« (Mischa bekreuzte sich bei diesen Worten aufrichtig und ohne das geringste Zeichen von Spott), »da ging’s wie der Blitz! Eins zwei drei – ich war es los! Ich habe es sicherlich zu billig fortgegeben! Es war ein Schurkenstreich, ich bin beim Verkauf einer richtigen Canaille in die H;nde gefallen. Aber gleichviel! Was thut’s? Ich lebe nun doch wenigstens zu meinem Vergn;gen und ich unterhalte auch Andere. Aber weshalb sehen Sie mich so sonderbar, so erstaunt an? Glauben Sie, ich h;tte mich darin finden k;nnen, Zeit meines Lebens auf der Ackerscholle zu sitzen? Wie ist es denn ;brigens, theuerstes Onkelchen, bietest Du mir nicht ein Gl;schen an?«

Mischa sprach ;u;erst schnell, eint;nig und gewisserma;en wie ein schlaftrunkener Mensch.

»Mischa!« schrie ich laut auf. »Besinne Dich doch! F;rchtest Du denn Gott gar nicht mehr? Sieh Dich doch nur einmal an? In welchem Zustande bist Du? Und Du willst jetzt noch ein Gl;schen von mir haben? Ein so sch;nes Gut, wie es das Deinige gewesen, f;r ein Nichts, f;r ein Butterbrod fortgeben!«

»Den lieben Gott,« erwiderte Jener, »f;rchte ich wohl, und ich’ denke auch immer an ihn; Gott ist sehr gut und deshalb wird er mir auch verzeihen. Ich aber bin ein guter Mensch; ich habe noch niemals in meinem Leben Jemanden etwas zu Leide gethan. Das Gl;schen – nun, solch ein Gl;schen ist auch sehr gut und kr;nkt Niemandem. In welchem Zustande ich bin, fragen Sie? Ich sollte doch meinen, in einem ganz achtbaren Zustand. Wenn Sie wollen, Onkelchen, gehe ich hier auf der Dielenspalte entlang oder tanze Ihnen so steif wie eine Latte etwas vor, blos um Ihnen zu zeigen, da; ich vollkommen n;chtern bin.«

»Lasse mich zufrieden. Das k;nnte ein netter Tanz werden. Setze Dich lieber ganz ruhig hierher!«

»Setzen? Nun meinetwegen! Aber weshalb sagen Sie mir kein Wort ;ber meine G;ule? Sehen Sie die Thiere nur einmal genau an, sie sehen wie L;wen aus. Vorl;ufig habe ich sie nur gemiethet, ich ruhe aber nicht eher, als bis ich sie gekauft habe, und den Kutscher auch, der geh;rt dazu. Es ist doch ungleich vortheilhafter, mit eigenem Gespann zu fahren. Ich hatte mir das Geld zum Ankauf auch schon zurechtgelegt, bin es aber gestern im Pharaospiele losgeworden. Na, thut nichts! Morgen werden wir es uns schon wieder zur;ckholen. Aber nun, Onkelchen, wie ist es denn wirklich mit einem Gl;schen?«

Ich konnte mich von meinem Staunen und Schrecken noch immer nicht erholen.

»Mischa, ich bitte Dich, bedenke doch, wie alt Du bist! Du solltest Dich weder um Pferde, noch um das Kartenspiel k;mmern, sondern Du solltest zur Universit;t gehen und studiren oder in den Staatsdienst eintreten.«

Mischa fing erst wieder zu lachen an; dann pfiff er in langsamem Tempo eine Melodie.

»Ich sehe schon, Onkelchen, da; Sie in diesem Augenblicke in etwas mi;m;thiger Stimmung sind. Ich werde also ein anderes Mal wiederkommen. Aber halt! wissen Sie, kommen Sie doch heute Abend zum ›Sokolniki‹. Ein ;ffentlicher Park bei Moskau. Dort habe ich n;mlich mein Hauptquartier aufgeschlagen. Dort singen die Zigeuner; ich sage Ihnen, es ist eine Lust! Sch;n, zum Verr;cktwerden sch;n! Ueber meiner Bude h;ngt eine Fahne und auf die Fahne habe ich mit gro;en Buchstaben malen lassen: Poltews Zigeunerchor. Die Fahne dreht und wendet sich wie eine Schlange, und die Buchstaben sind von Gold. Wer das ansieht, mu; seine helle Freude daran haben. Jedermann ist geladen, Jeder willkommen, Niemand wird zur;ckgewiesen. Ich sage Dir: das

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konnte er Medizinen und sonstige Heilmittel verschreiben und ihre Anwendung n;her bestimmen; er verstand sich auf die Deutung von ;u;eren Anzeichen, er wu;te, welche Gl;ck oder Ungl;ck im Gefolge haben