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Der Duellant

Ein Hirt folgte singend einer Herde gieriger und scheuer Schafe. Die Sch;ferhunde jagten vor Langeweile den Kr;hen nach.

Lutschkow ging mit gekreuzten Armen im W;ldchen auf und ab. Sein angebundenes Pferd hatte schon mehr als einmal voller Ungeduld auf das helle Gewieher der Fohlen und Stuten geantwortet. Awdej ;rgerte sich wie immer und war zugleich befangen. Von der Liebe Maschas noch nicht v;llig ;berzeugt, z;rnte er ihr schon und ;rgerte sich ;ber sich selbst – doch die Erregung erdr;ckte in ihm den Ärger. Endlich blieb er vor einer breiten Haselstaude stehen und fing an, mit seiner Gerte die ;u;ersten Bl;tter abzuschlagen.

Er h;rte ein leises Ger;usch. Er hob den Kopf. Zehn Schritte vor ihm stand Mascha, vom schnellen Gehen ger;tet, in Hut, doch ohne Handschuhe, in einem wei;en Kleid, mit einem in aller Eile umgebundenen T;chlein am Halse. Sie senkte die Augen und schwankte leicht.

Awdej ging linkisch, mit gezwungenem L;cheln auf sie zu.

»Wie gl;cklich bin ich …« begann er kaum h;rbar.

»Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen«, unterbrach ihn Mascha, schwer atmend. »Ich pflege hier jeden Abend spazierenzugehen … und Sie …«

Lutschkow verstand aber nicht mal, ihre Scham zu schonen und sie in ihrer unschuldigen L;ge zu unterst;tzen.

»Ich glaube doch, Marja Ssergejewna«, sagte er mit gro;er W;rde, »Sie wollten es selbst …«

»Ja, ja« entgegnete Mascha eilig. »Sie wollten mich sehen? Sie wollten …« Ihre Stimme versagte.

Lutschkow schwieg. Mascha hob sch;chtern die Augen.

»Entschuldigen Sie mich«, begann er, ohne sie anzusehen. »Ich bin ein einfacher Mensch und bin es nicht gewohnt, mit Damen zu sprechen … Ich wollte Ihnen sagen … ich glaube aber, Sie sind gar nicht geneigt, mich anzuh;ren …«

»Sprechen Sie.«

»Sie befehlen … Nun, ich will Ihnen ganz offen sagen, da; ich schon l;ngst, seitdem ich die Ehre hatte, Sie kennenzulernen …«

Awdej hielt inne. Mascha wartete auf die Fortsetzung.

»Ich wei; ;brigens nicht, wozu ich Ihnen das alles sage. Sein Schicksal kann man doch nicht ;ndern.«

»Wer kann das wissen!«

»Ich wei; es!« entgegnete Awdej finster. »Ich bin die Schicksalsschl;ge gewohnt!«

Mascha glaubte, da; Lutschkow wenigstens jetzt keinen Grund habe, ;ber sein Schicksal zu klagen.

»Es gibt aber gute Menschen auf der Welt«, bemerkte sie l;chelnd. »Sogar viel zu gute …«

»Ich verstehe Sie, Marja Ssergejewna, und wei;, glauben Sie es mir, Ihre Gewogenheit wohl zu sch;tzen. Ich … ich … Sie werden mir doch nicht z;rnen?«

»Nein. Was wollen Sie sagen?«

»Ich will sagen – da; Sie mir gefallen … Marja Ssergejewna, da; Sie mir au;erordentlich gefallen.«

»Ich bin Ihnen sehr dankbar«, unterbrach ihn Mascha verlegen. Ihr Herz krampfte sich vor Erwartung und Angst zusammen. »Ach, schauen Sie nur, Herr Lutschkow«, fuhr sie fort, »diese Aussicht!«

Sie zeigte ihm die mit den langen Abendschatten bedeckte, mit dem Rot der untergehenden Sonne ;bergossene Wiese.

Lutschkow fing an, ;ber diesen pl;tzlichen Wechsel des Gespr;chsthemas erfreut, die Aussicht zu bewundern. Er stellte sich neben Mascha.

»Lieben Sie die Natur?« fragte sie pl;tzlich, den Kopf schnell zu ihm wendend und ihn mit dem freundlichen, neugierigen und sanften Blick ansehend, der, ebenso wie die helle Stimme, nur jungen M;dchen eigen ist.

»Ja, die Natur … gewi;«, murmelte Awdej. »Nat;rlich, es ist angenehm, abends spazierenzugehen; obwohl ich, offen gestanden, Soldat bin und von solchen Empfindsamkeiten nichts verstehe.« Lutschkow pflegte oft zu sagen, da; er »Soldat« sei.

Es trat eine kurze Pause ein. Mascha blickte noch immer auf die Wiese.

Soll ich nicht weggehen? dachte sich Awdej. Unsinn! Mut! … »Marja Ssergejewna«, begann er mit ziemlich fester Stimme.

Mascha wandte sich zu ihm um.

»Entschuldigen Sie mich«, begann er wie scherzend. »Gestatten Sie mir die Frage, wie Sie ;ber mich denken, ob Sie irgendeine … Zuneigung f;r meine Person empfinden.«

Mein Gott, wie ungeschickt er doch ist, dachte sich Mascha. »Wissen Sie, Herr Lutschkow«, antwortete sie ihm l;chelnd, »da; es nicht immer leicht ist, eine bestimmte Antwort auf eine bestimmte Frage zu geben?«

»Und doch …«

»Warum wollen Sie es wissen?«

»Ich bitte Sie! Ich m;chte es wissen.«

»Aber … ist es wahr, da; Sie leidenschaftlicher Duellant sind? Sagen Sie, ist es wahr«, fragte Mascha mit ;ngstlicher Neugier, »da; Sie schon mehr als einen Menschen get;tet haben?«

»Es ist wohl vorgekommen«, antwortete Awdej gleichg;ltig und strich sich den Schnurrbart.

Mascha sah ihn unverwandt an.

»Mit dieser Hand?« fl;sterte sie.

Lutschkows Blut geriet indessen in Wallung. Vor ihm stand schon seit mehr als einer Viertelstunde ein h;bsches, junges M;dchen.

»Marja Ssergejewna«, begann er wieder mit eigent;mlicher, scharfer Stimme, »Sie kennen jetzt meine Gef;hle, Sie wissen, warum ich Sie habe sehen wollen. Sie waren so g;tig … Sagen Sie mir doch endlich, was ich mir erhoffen darf!«

Mascha spielte mit einer Feldnelke. Sie blickte Lutschkow von der Seite an, err;tete, l;chelte und sagte: »Was sprechen Sie f;r Dummheiten!« Und sie reichte ihm die Blume.

Awdej ergriff ihre Hand.

»Sie lieben mich also!« rief er aus.

Mascha ;berlief es ganz kalt vor Schreck. Sie dachte gar nicht daran, Awdej ihre Liebe zu gestehen; sie wu;te selbst noch nicht bestimmt, ob sie ihn liebte. Da kommt er ihr zuvor und zwingt sie zu einem Gest;ndnis – folglich versteht er sie nicht. Eine so schnelle L;sung hatte sie nicht erwartet.

Mascha hatte sich den ganzen Tag wie ein neugieriges Kind gefragt: »Liebt er mich?«, hatte einen angenehmen Abendspaziergang und respektvolle und z;rtliche Worte erwartet, hatte in Gedanken kokettiert, diesen Wilden gez;hmt und ihm erlaubt, ihr die Hand zu k;ssen – und statt dessen …

Statt dessen f;hlte sie an ihrer Wange den rauhen Schnurrbart Awdejs.

»Wollen wir gl;cklich sein«, fl;sterte er, »es gibt doch nur ein Gl;ck auf Erden!« Mascha zuckte zusammen, lief erschrocken zur Seite und blieb ganz bla; stehen, sich mit der Hand gegen eine Birke st;tzend. Awdej wurde furchtbar verlegen.

»Entschuldigen Sie«, murmelte er, auf sie zugehend, »ich dachte wirklich nicht …«

Mascha starrte ihn schweigend an. Ein unangenehmes L;cheln verzerrte seine Lippen, rote Flecken waren ihm ins Gesicht getreten.

»Was f;rchten Sie denn?« fuhr er fort. »Ist es denn eine so gro;e Sache? Unter uns ist doch schon alles …«

Mascha schwieg.

»H;ren Sie auf! Was f;r Dummheiten! Das ist doch nur so …

Lutschkow streckte ihr seine Hand entgegen.

Mascha erinnerte sich an Kister und an sein »Nehmen Sie sich in acht«; sie erstarb vor Schreck und schrie mit ziemlich kreischender Stimme: »Tanjuscha!«

Aus dem Haselgeb;sch tauchte das runde Gesicht des Dienstm;dchens auf.

Awdej verlor die Fassung. Durch die N;he ihrer Zofe beruhigt, r;hrte sich Mascha nicht vom Fleck.

Der Kampfhahn erzitterte aber vor Wut. Seine Augen wurden ganz klein; er ballte die F;uste und fing an, krampfhaft zu lachen.

»Bravo! Bravo! Das ist gescheit, das mu; ich schon sagen!« schrie er.

Mascha erstarrte zu Stein.

»Wie ich sehe, haben Sie alle Vorsichtsma;regeln getroffen, Marja Ssergejewna! Vorsicht schadet nie. Das ist wirklich nett! Heutzutage sind die jungen M;dchen schlauer als die Alten. Und das soll Liebe sein!«

»Ich wei; nicht, Herr Lutschkow, wer Ihnen das Recht gibt, von Liebe zu sprechen … was f;r eine Liebe meinen Sie?«

»Wieso, wer? Sie selbst!« unterbrach sie Lutschkow. »Das ist doch sonderbar!« Er f;hlte, da; er alles verdarb, konnte sich aber nicht mehr beherrschen.

»Ich habe un;berlegt gehandelt«, versetzte Mascha. »Ich bin auf Ihre Bitte eingegangen, weil ich mich auf Ihre d;licatesse verlie; … Sie verstehen aber nicht Franz;sisch: also auf Ihre H;flichkeit.«

Awdej erbleichte. Mascha hatte ihn mitten ins Herz getroffen!

»Ich verstehe nicht Franz;sisch, mag sein; aber ich verstehe … ich verstehe, da; es Ihnen beliebt, sich ;ber mich lustig zu machen.«

»Durchaus nicht, Awdej Iwanowitsch. Ich bedaure es sogar sehr …«

»Sprechen Sie, bitte, nicht von Ihrem Bedauern«, unterbrach sie Awdej zornig »verschonen Sie mich, bitte, damit!«

»Herr Lutschkow …«

»Spielen Sie keine Herzogin! Vergebliche M;he! Sie sch;chtern mich damit nicht ein.«

Mascha trat einen Schritt zur;ck, wandte sich schnell um und ging fort.

»Soll ich Ihnen Ihren Freund, Ihren Sch;fer, das empfindsame Herz Kister schicken?« schrie ihr Awdej nach. Er hatte den Kopf verloren. »Ist es nicht dieser Freund … der?«

Mascha antwortete ihm nicht und ging schnell und frohen Mutes weiter. Sie f;hlte sich, trotz des Schreckens und der Erregung, erleichtert. Es war ihr, als w;re sie aus einem schweren Traum erwacht, aus einem dunklen Zimmer ins Freie, in die Sonne getreten.

Awdej sah sich wie besessen um, brach in stummer Wut ein junges B;umchen ab, sprang in den Sattel und bohrte seinem Pferd die Sporen so w;tend in die Flanken und zerrte so erbarmungslos an den Z;geln, da; das arme Tier, nachdem es die acht Werst in einer Viertelstunde zur;ckgelegt hatte, in derselben Nacht beinahe einging.

Kister, der bis Mitternacht vergebens auf Lutschkow gewartet hatte, begab sich am n;chsten Morgen selbst zu ihm. Der Bursche meldete Fjodor Fjodorowitsch, da; sein Herr noch schlafe und befohlen habe, niemand vorzulassen. »Auch mich nicht?« – »Auch Sie nicht, Euer Wohlgeboren.« Kister ging, von qualvoller Unruhe gepeinigt, einigemal ;ber die Stra;e und kehrte nach Hause zur;ck. Hier ;bergab ihm sein Diener ein Billett.

»Von wem?«

»Von den Perekatows. Der Vorreiter Artjomka hat es hergebracht.«

Kister zitterten die H;nde.

»Er soll einen Gru; ausrichten und auf Antwort warten. Soll ich dem Artjomka einen Schnaps geben?«

Kister entfaltete langsam das Billett und las folgendes:

»Lieber guter Fjodor Fjodorowitsch!

Ich mu; Sie sehr dringend sprechen. Kommen Sie, wenn m;glich, heute. Schlagen Sie mir meine Bitte nicht ab, ich beschw;re Sie bei unserer alten Freundschaft. Wenn Sie nur w;;ten … aber Sie werden alles erfahren. Auf Wiedersehen – nicht wahr?

Marie.

P. S. Kommen Sie unbedingt heute.«

»Soll ich dem Vorreiter Artjomka einen Schnaps geben?«

Kister sah seinem Diener lange erstaunt ins Gesicht und ging, ohne ein Wort zu sagen, hinaus.

»Der Herr hat gesagt, ich soll dir einen Schnaps geben und auch selbst mit dir trinken«, sagte Kisters Diener zum Vorreiter Artjomka.

Kap. 9

Mascha kam Kister, als er in den Salon trat, mit einem so heiteren und dankbaren Gesicht entgegen, dr;ckte ihm so freundschaftlich und so fest die Hand, da; sein Herz vor Freude heftig zu schlagen anfing und ihm ein Stein vom Herzen fiel. Mascha sagte ihm ;brigens kein Wort und verlie; sofort das Zimmer. Ssergej Ssergejewitsch sa; auf dem Sofa und legte Patience. Sie kamen

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