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Der Duellant

an dem sie Sie kennenlernen soll, kaum erwarten. Ich habe die Absicht, meinen Abschied zu nehmen, mich auf dem Lande niederzulassen und mich der Landwirtschaft zu widmen. Der alte Perekatow besitzt ein Gut mit vierhundert leibeigenen Seelen, das sich in guter Verfassung befindet. Sie sehen, da; man auch von diesem materiellen Standpunkte aus meine Wahl nicht mi;billigen kann. Ich nehme Urlaub und komme zu Ihnen nach Moskau. Erwarten Sie mich in h;chstens zwei Wochen. Meine liebe, gute Mama, wie gl;cklich bin ich! … Umarmen Sie mich …« und so weiter.

Kister faltete und versiegelte den Brief, stand auf, trat ans Fenster, rauchte eine Pfeife, dachte ein wenig nach und kehrte zum Tisch zur;ck. Er holte einen kleinen Bogen Briefpapier hervor, tauchte die Feder sorgf;ltig ins Tintenfa;, fing aber lange nicht mit dem Schreiben an, sondern runzelte die Brauen, blickte zur Decke und kaute an der Feder … Endlich entschlo; er sich und verfa;te im Laufe einer Viertelstunde folgendes Schreiben:

»Sehr geehrter Herr Awdej Iwanowitsch!

Vom Tage Ihres letzten Besuches an – das hei;t seit drei Wochen – gr;;en Sie mich nicht, sprechen mit mir nicht und scheinen mir aus dem Wege zu gehen. Jeder Mensch ist nat;rlich in seinen Handlungen vollkommen frei; Ihnen beliebte es, unsere Bekanntschaft abzubrechen, und ich bitte Sie, mir zu glauben, da; ich mich an Sie nicht mit einer Klage wende. Ich habe nicht die Absicht, mich, wem es auch sei, aufzudr;ngen; mir gen;gt das Bewu;tsein, da; ich im Rechte bin. Ich schreibe Ihnen heute nur aus Pflichtgef;hl. Ich habe Maria Ssergejewna Perekatowa den Antrag gemacht und ihr Jawort wie auch die Zustimmung ihrer Eltern bekommen. Ich teile diese Nachricht Ihnen direkt und unmittelbar mit, um jedes Mi;verst;ndnis und jeden Verdacht unm;glich zu machen. Ich mu; Ihnen offen gestehen, sehr geehrter Herr, da; ich mich nicht allzusehr um die Meinung eines Menschen k;mmern kann, der selbst nicht die geringste Beachtung den Meinungen und Gef;hlen anderer schenkt; ich schreibe Ihnen einzig darum, weil ich jeden Anschein vermeiden will, als ob ich hinter Ihrem R;cken handle oder gehandelt habe. Ich darf wohl sagen: Sie kennen mich und werden meinen Schritt nicht irgendeinem anderen, schlechten Gef;hl zuschreiben. Indem ich mich zum letztenmal an Sie wende, kann ich nicht umhin, Ihnen in Erinnerung unserer fr;heren Freundschaft, jedes irdische Gl;ck zu w;nschen.

Mit aufrichtiger Hochachtung verbleibe ich

Ihr ergebenster Diener

Fjodor Kister.«

Fjodor Fjodorowitsch schickte diesen Brief an die Adresse, zog sich um und lie; den Wagen anspannen. Lustig und sorglos ging er singend in seinem kleinen Zimmer auf und ab, h;pfte sogar zweimal in die H;he, rollte ein Liederheft zusammen und band ein blaues B;ndchen darum … Die T;r ging auf, und herein trat Lutschkow im Waffenrock ohne Epauletten, mit der M;tze auf dem Kopf. Kister blieb erstaunt mitten im Zimmer stehen; er hatte die Schleife noch nicht fertig gebunden.

»Sie heiraten die Perekatowa?« fragte Awdej in ruhigem Ton. – Kister fuhr auf.

»Mein Herr«, begann er, »wenn anst;ndige Menschen in ein Zimmer treten, nehmen sie die M;tze ab und sagen guten Tag.«

»Entschuldigen Sie«, versetzte der Kampfhahn kurz und zog die M;tze. »Guten Tag.«

»Guten Tag, Herr Lutschkow. Sie fragen mich, ob ich Fr;ulein Perekatowa heirate? Haben Sie denn meinen Brief nicht gelesen?« – »Ja, ich habe Ihren Brief gelesen. Sie heiraten. Ich gratuliere.«

»Ich nehme Ihre Gratulation an und danke Ihnen. Doch ich mu; jetzt fort.«

»Ich m;chte mich mit Ihnen auseinandersetzen, Fjodor Fjodorowitsch.«

»Bitte sehr, mit Vergn;gen«, antwortete der Gute. »Ich habe, offen gestanden, eine solche Auseinandersetzung erwartet. Ihr Benehmen mir gegen;ber ist so sonderbar, und ich habe es, wie ich glaube, gar nicht verdient … jedenfalls durfte ich es nicht erwarten … Wollen Sie aber nicht Platz nehmen? Darf ich Ihnen eine Pfeife anbieten?«

Lutschkow setzte sich. Seine Bewegungen waren m;de. Er bewegte den Schnurrbart und hob die Brauen.

»Sagen Sie mal, Fjodor Fjodorowitsch«, begann er endlich: »Warum haben Sie sich mir gegen;ber so lange verstellt?«

»Wieso?«

»Warum spielten Sie so ein … makelloses Wesen, w;hrend Sie doch genauso ein Mensch sind wie wir arme S;nder?«

»Ich verstehe Sie nicht … Habe ich Sie vielleicht irgendwie verletzt?«

»Sie verstehen mich nicht, nehme ich an. Ich will mich bem;hen, deutlicher zu sprechen. Sagen Sie mir zum Beispiel aufrichtig: Haben Sie schon seit langem eine Neigung f;r Fr;ulein Perekatowa gefa;t, oder ist es ein pl;tzlicher Ausbruch von Leidenschaft?«

»Awdej Iwanowitsch, ich habe keine Lust, mit Ihnen ;ber mein Verh;ltnis zu Fr;ulein Perekatowa zu sprechen«, entgegnete Kister k;hl.

»So. Ganz wie es Ihnen beliebt. Tun Sie mir aber den Gefallen und gestatten Sie mir zu glauben, da; Sie mich zum Narren gehalten haben.«

Awdej sprach sehr langsam und betonte jedes Wort.

»Das ;rfen Sie nicht glauben, Awdej Iwanowitsch. Sie kennen mich ja.«

»Ich kenne Sie? Wer kennt Sie ;berhaupt? Eine fremde Seele ist wie ein finsterer Wald, ich will aber genau wissen, woran ich bin. Ich wei;, da; Sie deutsche Verse mit gro;em Gef;hl und sogar mit Tr;nen in den Augen vorlesen; ich wei;, da; Sie an den W;nden Ihrer Wohnung verschiedene Landkarten h;ngen haben; ich wei;, da; Sie Ihre Person reinlich halten; das wei; ich … sonst wei; ich aber nichts.«

Kister fing an b;se zu werden.

»Gestatten Sie die Frage«, sagte er schlie;lich, »welchen Zweck hat Ihr Besuch? Sie haben mich seit drei Wochen nicht gegr;;t, und nun kommen Sie zu mir anscheinend in der Absicht, sich ;ber mich lustig zu machen. Ich bin kein gr;ner Junge, sehr geehrter Herr, und werde es niemand gestatten …« »Aber erlauben Sie«, unterbrach ihn Lutschkow »aber erlauben Sie, Fjodor Fjodorowitsch: Wer wagt es denn, sich ;ber Sie lustig zu machen? Im Gegenteil, ich komme zu Ihnen mit der ergebensten Bitte: Erkl;ren Sie mir gef;lligst Ihr Benehmen mir gegen;ber! Gestatten Sie die Frage: Haben Sie mich nicht gewaltsam mit der Familie Perekatow bekannt gemacht? Haben Sie nicht Ihrem ergebensten Diener versichert, da; er seelisch ›aufbl;hen‹ wird? Und haben Sie mich nicht schlie;lich auch mit der tugendsamen Maria Ssergejewna zusammengef;hrt? Warum soll ich dann nicht annehmen ;rfen, da; ich Ihnen f;r die gewisse letzte Aussprache zu danken habe, ;ber die man Sie wohl schon in geb;hrender Form unterrichtet hat? Dem Br;utigam pflegt doch die Braut alles zu erz;hlen, besonders ihre unschuldigen Streiche. Warum soll ich dann nicht annehmen ;rfen, da; ich Ihnen die gro;artige Nase zu verdanken habe, die man mir gedreht hat? Sie haben doch einen solchen Anteil an meinem ›Aufbl;hen‹ genommen!«

Kister ging einmal durchs Zimmer.

»H;ren Sie mal, Lutschkow«, sagte er endlich. »Wenn Sie wirklich im Ernst von dem, was Sie sagen, ;berzeugt sind, was ich, offen gestanden, nicht glaube, so gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen: Es ist eine Schande und eine S;nde, meine Handlungen und Absichten in einem so verletzenden Sinne zu deuten. Ich will mich nicht rechtfertigen. Ich appelliere an Ihr eigenes Gewissen, an Ihr Ged;chtnis.«

»Ja, ich erinnere mich, da; Sie st;ndig mit Maria Ssergejewna getuschelt haben. Au;erdem gestatten Sie mir noch diese Frage: Sind Sie nicht bei den Perekatows nach dem bewu;ten Gespr;ch mit mir gewesen? Nach jenem Abend, als ich Ihnen, wie ein Narr, als meinem besten Freund, von dem mir gew;hrten Stelldichein erz;hlte?«

»Wie? Sie verd;chtigen mich, da; …«

»Ich verd;chtige keinen Menschen einer Handlung«, unterbrach ihn Awdej mit einer geradezu t;dlichen K;lte, »deren ich mich selbst nicht verd;chtige; doch ich habe auch die Schw;che zu glauben, da; die anderen nicht besser sind als ich.«

»Sie irren«, entgegnete Kister aufbrausend. »Die anderen sind besser als Sie.«

»Wozu ich Ihnen gratuliere«, versetzte Lutschkow ruhig. »Aber …«

»Aber«, unterbrach ihn seinerseits Kister gereizt, »aber erinnern Sie sich nur, in welchen Ausdr;cken Sie mir von dem Stelldichein erz;hlten und von … Diese Erkl;rungen werden, ;brigens, wie ich sehe, zu nichts f;hren … Denken Sie von mir, was Ihnen beliebt, und tun Sie, was Ihnen beliebt.«

»Das lasse ich mir gefallen!« versetzte Awdej. »Endlich sprechen Sie aufrichtig.«

»Was Ihnen beliebt!« wiederholte Kister.

»Ich verstehe vollkommen Ihre Lage, Fjodor Fjodorowitsch«, fuhr Awdej mit geheuchelter Teilnahme fort. »Sie ist unangenehm, wirklich unangenehm. Ein Mensch hat seine Rolle gespielt, niemand sieht ihm den Schauspieler an, und pl;tzlich …«

»Wenn ich annehmen k;nnte«, unterbrach ihn Kister mit zusammengepre;ten Z;hnen, »da; aus Ihnen nur verschm;hte Liebe spricht, so w;rde ich mit Ihnen Mitleid haben und Ihnen verzeihen. Doch in Ihren Vorw;rfen, in Ihren Verleumdungen h;re ich nur den Schrei eines verletzten Ehrgeizes, und ich sp;re nicht das geringste Mitleid mit Ihnen. Sie haben Ihr Los selbst verschuldet.«

»Ach, mein Gott, wie spricht dieser Mensch!« versetzte Awdej halblaut. »Der Ehrgeiz«, fuhr er fort, »mag sein; ja, ja, mein Ehrgeiz ist, wie Sie richtig bemerken, tief und unertr;glich verletzt worden. Wer ist aber nicht ehrgeizig? Vielleicht Sie? Ja, ich bin wohl ehrgeizig und werde es zum Beispiel niemand erlauben, mit mir Mitleid zu haben.«

»Sie werden es nicht erlauben?« entgegnete Kister stolz. »Was sind das f;r Ausdr;cke, mein Herr! Vergessen Sie bitte nicht: Das Band zwischen uns haben Sie selbst zerrissen. Ich bitte Sie, sich mir gegen;ber wie gegen einen Fremden zu benehmen.«

»Zerrissen! Das Band ist zerrissen!« wiederholte Awdej. »Begreifen Sie mich doch: Ich gr;;te und besuchte Sie nicht, nur aus Mitleid mit Ihnen; Sie werden mir doch erlauben, mit Ihnen Mitleid zu haben, wenn Sie selbst mit mir Mitleid haben! … Ich wollte Sie nicht in eine schiefe Lage bringen und in Ihnen Gewissensbisse wecken. Sie reden vom Band zwischen uns, als ob Sie nach Ihrer Verheiratung noch mein Freund h;tten bleiben k;nnen! H;ren Sie auf! Sie haben mit mir auch fr;her nur darum verkehrt, weil Sie sich an Ihrer vermeintlichen Überlegenheit erfreuen wollten!«

Awdejs Verleumdungen erm;deten und emp;rten Kister.

»Brechen wir doch dieses unangenehme Gespr;ch ab!« rief er endlich aus. »Offen gestanden, verstehe ich nicht, warum Sie mir die Ehre Ihres Besuches erwiesen haben!«

»Sie verstehen nicht, warum ich zu Ihnen gekommen bin?« fragte Awdej neugierig.

»Ich verstehe es absolut nicht.«

»N …nein?«

»Ich sage Ihnen ja …«

»Sonderbar! Das ist wirklich sonderbar! Wer h;tte das von einem solchen

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an dem sie Sie kennenlernen soll, kaum erwarten. Ich habe die Absicht, meinen Abschied zu nehmen, mich auf dem Lande niederzulassen und mich der Landwirtschaft zu widmen. Der alte Perekatow