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Gespenster

Kopf mit dem kurzen borstigen Kraushaar zwischen den krummen, zur;ckgebogenen H;rnern. Seine nassen N;stern schnaubten schwer, als h;tte er uns gewittert.

«Rom. Rom ist nah …», fl;sterte Ellis. «Schau nur, schau nach vorn …»

Ich blickte auf.

Da dunkelten am Horizont des n;chtlichen Himmels die hohen Bogen einer gigantischen Br;cke. Es war der alte Aqu;dukt. Rings dehnte sich der Campagna geheiligter Boden, und in der Ferne ragten die Berge von Albano. Ihre Gipfel schimmerten sanft in den Strahlen des aufgehenden Mondes.

J;h ging es in die H;he, und wir hielten in der Luft vor einer verlassenen Ruine. Keiner h;tte sagen k;nnen, was hier fr;her einmal gewesen war: ein Grabmal, ein Palast oder ein Turm… Schwarzer Efeu umspann und ;berrankte die Ruine mit seiner alles ;berwindenden und ert;tenden Kraft, unten aber g;hnte wie ein Rachen ein halbversch;ttetes Gew;lbe. Ein schwerer und dumpfer Kellergeruch wehte von diesem Haufen eng ineinandergef;gter Steine, von denen l;ngst die Granitverkleidung abgebr;ckelt war.

«Hier», rief Ellis und erhob den Arm. «Hier ist es! Sprich ihn laut aus, dreimal laut aus, den Namen eines gro;en R;mers.»

«Und dann?»

«Du wirst sehen.»

Ich ;berlegte. «Divus Cajus Julius Caesar!» rief ich dann. «Divus Cajus Julius Caesar!» wiederholte ich langsam. «Caesar!»

***

Der Hall meiner Worte war noch nicht verstummt, da vernahm ich es… Ich wei; nicht zu sagen, was es war. Anfangs war es wie ein wirres, kaum vernehmbares, aber unaufh;rlich sich wiederholendes H;rnerblasen und H;ndeklatschen. Es war gleichsam, als ob in einer furchtbaren Ferne oder in einem bodenlosen Abgrund eine unz;hlige Menge von Menschen pl;tzlich in Fluss geraten sei und als stiege sie nun empor, stiege auf;rts in unabl;ssiger Bewegung, und all das kaum h;rbar, wie in einem Traum, einem lastenden, jahrtausende altem Traum. Schon begann die Luft zu wogen, und dunkler wurde es ;ber der Ruine… Schatten wirbelten rings um mich her, Tausende von Schatten, bald gerundet wie Helme, bald lang und spitz wie Speere; und auf diesen Helmen und Lanzen glitzerte das Mondlicht mit blitzartigen bl;ulichen Funken — und diese ganze unbeschreibliche Menge zog n;her und n;her heran und wuchs und wogte immer gewaltiger…

Eine uns;gliche Spannung, eine Spannung, stark genug, um die Welt aus den Angeln zu heben, bewegte diese Masse, aber es gelang mir nicht, auch nur eine einzige Gestalt klar zu sehen… Mit einem Mal war mir, es ginge ein Beben durch die Menge, ganz so, als ob gigantische Wogen zur;ckprallten und sich verteilten…

«Caesar, Caesar venit!» rauschten die Stimmen auf, wie Bl;tter im Walde, in die j;hlings der Sturm st;;t… ein dumpfer Donner rollte — und im Lorbeerkranz und mit gesenkten Augenlidern kam bleich und streng das Haupt des Imperators hinter der Ruine hervor ….

Menschliche Sprache hat keine Ausr;cke f;r das Grauen, das mir das Herz zusammenpresste. Wenn dieses Haupt die Augen aufgeschlagen oder die Lippen ge;ffnet h;tte — ich ;re wohl auf der Stelle gestorben.

«Ellis!» st;hnte ich. «Fort von hier, fort!»

Hinter mir h;rte ich den ehernen, donnernden Schrei der Legion… und dann wurde alles dunkel.

***

«Schau», sprach Ellis zu mir. «Schau und beruhige dich.»

Ich tat wie sie befohlen — und ich wei; es noch gut: so s;; war mein erster Eindruck, dass ich ein Seufzen nicht zu unterdr;cken vermochte. Von allen Seiten ergoss sich ein wolkig blauer und gleichzeitig silberweicher Schimmer, der fast wie ein Nebel war. Zun;chst konnte ich nichts unterscheiden, so sehr blendete mich dieser lasurene Glanz — aber nach und nach traten die Umrisse pr;chtiger Berge und ;lder hervor, ein See breitete sich unter mir aus, in seiner Tiefe flimmerte der Widerschein Sterne, und lieblich brandeten die kleinen Wellen. Orangenduft umgab mich wie eine wohlriechende Flut, und wie eine Flut umstr;mten mich die starken und reinen T;ne einer jungen Frauenstimme. Dieser Duft und dieser Klang zogen mich hinab — und ich sank nach unten… nach unten zu einem herrlichen Marmorpalast, der heiter inmitten eines Zypressenhaines gl;nzte. Die T;ne drangen aus seinen weit offenen Fenstern, an seinen Mauern pl;tscherten die von Bl;tenstaub bedeckten Fluten des Sees — und gerade gegen;ber stieg, vom dunklen Gr;n der Organen- und Lorbeerb;ume bedeckt, ;berstr;mt vom leuchtenden Nebel, ;bers;t mit wei;en Statuen, schlanken S;ulen und Tempelhallen, eine hohe, sanft gerundete Insel aus dem Scho;e des Wassers ….

«Isola Bella!» bedeutete mir Ellis. «Lago Maggiore …»

Immer lauter, immer vernehmlicher klang die Frauenstimme. Ich wollte es erblicken, das Antlitz der S;ngerin, die mit solchen T;nen die Nacht erf;llte. Wir hielten vor dem Fenster. Das Zimmer war im pompeijanischen Geschmack gehalten und glich mehr einer antiken Tempelhalle als einem modernen Wohnraum, und inmitten dieses Raumes sa;, von griechischen Bildwerken und etruskischen Vasen, von seltenen Ge;chsen und teuren Geweben umgeben, eine junge Frau am Fl;gel. Sie sang. Sie sang und l;chelte, und dennoch lag auf ihren Z;gen ein gro;er Ernst, eine gewisse Strenge. Sie l;chelte… und es l;chelte der Faun des Praxiteles, der ebenso jung war wie sie, tr;ge, verw;hnt und woll;stig, er l;chelte ihr aus seiner Ecke zu, wo er hinter Oleanderb;schen verborgen stand, vor ihm auf altert;mlichem Dreifu; ein bronzenes R;ucherbecken, aus dem eine feine Rauchs;ule stieg.

Bezaubert von den Kl;ngen, bet;rt von der Sch;nheit, dem Glanz und Wohlgeruch der Nacht, bis in die Tiefe des Herzens ersch;ttert vom Anblick dieses jungen, sanften und leuchtenden Gl;ckes, verga; ich v;llig, dass ich nicht allein war, verga;, auf wie seltsame Weise ich dazu gekommen war, Zuschauer dieses so weit entfernten und mir so fremden Lebens zu werden. Schon lag mir das Wort auf der Zunge… Mein K;rper erbete von einem heftigen Sto; — drohend und finster war bei all seiner Durchsichtigkeit Ellis’ Gesicht, Zorn brannte d;ster in ihren weit aufgerissenen Augen ….

«Fort!» kam es zischend von ihren Lippen — und wieder Sturm und Finsternis. Aber diesmal klang in meinen Ohren nicht der Schrei der Legionen, es sang in ihnen, tremulierend auf einer hohen Note, die Stimme der jungen S;ngerin… Die hohe Note t;nte immer noch und wollte nicht enden, und doch war es eine ganz andere Luft, die mich umgab, ein ganz anderer Geruch… Kr;ftige Frische wehte, als ;re ein gro;er Fluss in der N;he, und es roch nach Heu, nach Rauch und nach Hanf. Dem unendlich gedehnten Ton folgte ein anderer und ein dritter, und alle von einer so unbezweifelbaren Eigenart, alle mit diesen vertrauten Überg;ngen, dass ich mir sogleich sagte: «Ein Russe singt sein russisches Lied» — und da sah ich auch alles schon deutlich.

***

Ein flaches Ufer… Die gem;hten Felder mit den riesenhaften Heuschobern verloren sich ins Unendliche, und ebenso endlos zog sich die glatte Fl;che des gro;en wasserreichen Stromes dahin. Unweit vom Ufer schaukelten sanft an ihren Ankerketten die gro;en dunklen Barken, und die Spitzen ihrer Mastb;ume bewegten sich dabei, als ;ren es Zeigefinger. Die klangvolle Stimme, die ich geh;rt hatte, kam von einer der Barken, ein Feuerchen brannte dort, und weithin im Wasser schwankte und bebte der rote Widerschein. Aber noch andere Feuer waren sowohl auf dem Fluss als auch im Feld zu sehen, nur dass das Auge nicht zu unterscheiden vermochte, ob sie fern waren oder nahe, bald zwinkerten sie flimmernd, bald wieder strahlten sie ruhig wie gro;e funkelnde Punkte; zahllose Grillen zirpten genauso unerm;dlich und so laut wie die Fr;sche in den Pontinischen S;mpfen — und am wolkenlosen, aber niedrigen und dunklen Himmel klangen die Schreie von unbekannten V;geln.

«Wir sind in Russland?» fragte ich Ellis.

Sie nickte. «Diese Nacht ist eine gro;e Nacht. Sie kommt nicht so bald wieder. Du wirst Zeuge sein …»

Mit einem Male ging es schr;g ;ber die Wolga, dicht ;ber dem Wasser, mit dem ruckweisen Flattern der Schwalben vor dem Sturm. Dumpf rauschten die schweren Wellen unter uns, und mit seinen kalten und heftigen Schwingen peitschte uns der scharfe Flusswind. Bald darauf tauchte das hohe rechte Ufer vor uns aus dem Dunkel auf. Die steilen H;hen und die tiefen Schluchten wurden sichtbar. Wir n;herten uns ihnen.

«Rufe laut: Alle Mann an Bord!» fl;sterte mir Ellis zu.

Zwar stieg alsbald in meiner Erinnerung das Grauen auf, das ich beim Erscheinen der r;mischen Gespenster empfunden hatte, zwar f;hlte ich mich m;de und sonderbar schwerm;tig, als wolle mir das Herz in der Brust vergehen — und ich wollte sie nicht aussprechen, diese Worte, denn ich ahnte, dass etwas Ungeheuerliches darauf erfolgen musste — allein es ;ffneten sich meine Lippen und gegen meinen Willen rief ich mit meiner schwachen und ;beranstrengten Stimme: «Alle Mann an Bord!»

Wie vor der r;mischen Ruine, so herrschte auch hier anfangs eine Totenstille — dann aber dr;hnte pl;tzlich dicht neben meinem Ohr ein wildes und barbarisches Gel;chter — und st;hnend schlug etwas ins Wasser und zappelte und bekam keine Luft mehr… Ich blickte mich um: nirgends war etwas zu sehen. Aber da kam schon vom Ufer das Echo — und mit einem Male erhob sich von ;berall her ein bet;ubender L;rm, ein Chaos von Lauten: Schreine, Kreischen, w;tendes Schimpfen und Gel;chter, Gel;chter ;berm;;ig, Ruderschl;ge und Beilhiebe, Krachen, wie wenn T;ren und K;sten aufgebrochen werden, Knarren der Takellage und der R;der, Stampfen von Pferdehufen, Sturml;uten und Kettenrasseln, Toben und Heulen einer Feuersbrunst, trunkene Lieder und Knirschen der Erbitterung, trostloses Wimmern, jammerndes und verzweifeltes Flehen, und ;ber allem gebieterische Kommandos, das R;cheln der Sterbenden, verwegenes Pfeifen und Johlen und das Stampfen von Tanzenden…

Ich wollte Ellis fragen, aber sie legte ihren Finger an die Lippen ….

«Stenjka Rasin! Stenjka Rasin!» schrie es ringsum. «Unser V;terchen, unser Hauptmann, unser Ern;hrer!» Noch war nichts zu sehen, und doch war mir pl;tzlich, als bewege sich ein riesenhafter K;rper gerade auf mich zu…

«Hund, wo steckst du?» donnerte eine schreckliche Stimme. Glut einer Flamme ganz in der N;he versengte mich fast, bitterer Brandgeruch raubte mir den Atem — und gleichzeitig schoss etwas Warmes, es k;nnte Blut sein, mir ins Gesicht und auf die H;nde… Wieherndes Gel;chter ringsum. Ich verlor die Besinnung.

Als ich wieder zu mir kam, schwebten wir sanft am Rande meines Waldes gerade auf die

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Kopf mit dem kurzen borstigen Kraushaar zwischen den krummen, zur;ckgebogenen H;rnern. Seine nassen N;stern schnaubten schwer, als h;tte er uns gewittert. "Rom. Rom ist nah ...", fl;sterte Ellis. "Schau nur,