zuckte zusammen, als ich an die letzte ungeheuerliche Erscheinung dachte ….
Warum aber erschrak den Ellis so sehr? schoss es mir durch den Kopf. Ist es denkbar, dass auch sie seiner Gewalt unterworfen ist? Ist es m;glich, dass auch sie sterblich ist? Auch sie der Vernichtung und dem Untergang verfallen kann? Wie kann das m;glich sein?
Leises St;hnen in der N;he… Ich wandte den Kopf. Zwei Schritte von mir lag regungslos hingestreckt eine junge Frau mit gel;stem dichten Haar, in einem wei;en Gewand, die eine Schulter entbl;;t. Ein Arm lag hinter dem Kopf, der andere war kraftlos auf die Brust gesunken. Die Augen waren geschlossen. Auf den fest zusammengepressten Lippen zeigte sich ein leichter hellroter Schaum. Konnte das Ellis sein? Aber Ellis war doch nur ein Gespenst, ein Phantom, und die, die hier vor mir lag, war ein Gesch;pf der Erde. Ich kroch n;her heran und beugte mich ;ber sie…
«Ellis, bist du es?» rief ich.
Ein langsames Beben ;berlief sie, und sie ;ffnete die Lider. Dunkle, durchbohrende Augen richteten sich auf mich und im gleichen Augenblick saugten sich warme, feuchte, nach Blut d;rstende Lippen in die meinen… weiche Arme umfingen fest meinen Hals, und eine wei;e Brust schmiegte sich fieberd an die meine.
«Leb wohl! Leb wohl auf immer!»
Deutlich fl;sterte es die ersterbende Stimme — und dann war alles verschwunden.
Obwohl meine Beine mir wie einem Betrunkenen den Dienst versagten, erhob ich mich taumelnd, strich einige Male mit der Hand durchs Gesicht und sah mich aufmerksam um. Es war die gro;e Landstra;e und ich befand mich kaum zwei Werst von meinem Gut. Als ich endlich nach Hause kam, war die Sonne bereits aufgegangen.
***
Die N;chte darauf wartete ich — und ich gestehe es, ich wartete nicht ohne Angst — auf das Erscheinen meines Gespenstes, aber es kam nie wieder. Einmal war ich sogar in der Abendd;mmerung bei der alten Eiche, aber es ereignete sich nichts Ungew;hnliches. Ich muss ;brigens sagen, dass ich das Aufh;ren dieser sonderbaren Bekanntschaft nicht gerade sehr beklagte. Ich habe ;ber diesen mir vollkommen unbegreiflichen und merkw;rdig sinnlosen Fall oft und viele Gedanken gemacht — und ich wei; nur das eine: dass ihn mir die Wissenschaft nicht erkl;ren kann und dass ich auch in M;rchen und Legenden nichts Gleichartiges gefunden habe. Ellis, wer war sie eigentlich? Ein Phantom, eine arme Seele, ein b;ser Geist, eine Sylphe oder gar ein Vamypr? Manchmal glaubte ich sogar, Ellis war eine Frau, die ich einmal gekannt hatte, und ich machte die qualvollsten Anstrengungen, um heraus zu finden, wo ich sie bereits gesehen… Und zuweilen glaubte ich: Noch einen Augenblick und ich habe es… Aber alles zerrann wie ein Traum.
Viel und oft dachte ich nach, aber es kam, wie das so geht, nichts dabei heraus. Andere Leute um ihren Rat oder um ihre Meinung fragen wollte ich nicht, denn ich musste f;rchten, dass sie mich f;r verr;ckt halten w;rden. So lie; ich dann endlich alle meine Gr;beleien fallen, denn offen gestanden: Ich hatte an anderes zu denken. Da war einerseits inzwischen die Abschaffung der Leibeigenschaft gekommen mit der Verteilung des Besitzes, und andererseits war meine Gesundheit nicht mehr die beste. Ich litt an Schmerzen in der Brust, an Schlaflosigkeit und Husten. Mein K;rper welkte dahin, mein Gesicht wurde ;chsern wie das Gesicht eines Leichnams. Der Arzt meinte, ich h;tte viel zu wenig Blut — er bezeichnet mein Leiden mit dem griechischen Ausdruck «An;mie» und sagt, ich solle nach Gastein. mein Verwalter dagegen beteuert, dass er ohne mich mit den Bauern nicht zu Rande k;me… Was soll man da machen…
Aber was bedeuten diese durchdringend reinen und scharfen T;ne, fast wie die Kl;nge einer Ziehharmonika, die ich jedes Mal h;re, spricht man in meiner Gegenwart von irgendeinem Todesfall? Immer lauter werden sie, immer durchdringender… Und warum muss ich jedes Mal so qualvoll zusammenzucken beim Gedanken an die Vernichtung, an das Nichts…
— Ende —