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Klara Militsch

Paradies kommen! Sie verzeiht alles, also wird auch ihr alles verziehen werden!« Man erz;hlte sich, da; sie in jeder Stadt, aus der sie verduftete, ebenso viele Gl;ubiger wie Menschen, die sie gl;cklich gemacht hatte, zur;cklie;. Ein weiches Herz l;;t sich eben nach allen Seiten biegen.

Kupfer geriet, wie es zu erwarten war, bald in ihren Kreis und wurde mit ihr sehr intim… sogar zu intim, wie b;se Zungen behaupteten. Er selbst sprach ;ber sie nicht nur freundschaftlich, sondern auch mit Hochachtung. Er nannte sie ein goldenes Herz – was man dagegen auch einwenden mochte – und glaubte aufrichtig nicht nur an ihre Liebe zu den K;nsten, sondern auch, da; sie viel von Kunst verst;nde.

Als er eines Nachmittags bei den Aratows sa; und die Rede wieder einmal auf die F;rstin und ihre Empf;nge brachte, begann er Jakow zuzureden, wenigstens einmal sein Einsiedlerleben aufzugeben und ihm, Kupfer zu gestatten, ihn bei seiner Freundin einzuf;hren. Jakow wollte anfangs nichts davon h;ren.

»Was denkst du dir eigentlich?« rief Kupfer schlie;lich aus. »Wie stellst du dir diese Einf;hrung vor? Ich will dich einfach, so wie du da sitzt, in dem Rock, den du jetzt anhast, nehmen und auf einen ihrer Abende bringen. Bei ihr gibt es gar keine Etikette, mein Lieber! Du bist ja Gelehrter, liebst Literatur und Musik (in Aratows Arbeitszimmer stand tats;chlich ein Pianino, auf dem er manchmal Akkorde mit verminderter Septime anzuschlagen pflegte), bei ihr im Hause findest du aber davon, soviel du willst! Du triffst bei ihr auch recht sympathische Menschen ganz ohne Pr;tensionen! Au;erdem geht es wirklich nicht, da; ein junger Mann in deinem Alter und mit deinem #196;u;ern (Aratow senkte die Augen und machte eine abwehrende Handbewegung), ja, mit deinem #196;u;ern, sich derma;en von Welt und Gesellschaft zur;ckzieht! Es ist ja kein General, zu dem ich dich bringen m;chte! Ich verkehre auch selbst nicht mit Gener;len… Sei nicht so eigensinnig, Liebster! Sittlichkeit ist nat;rlich eine gute und achtbare Sache, man soll aber nicht in Asketismus verfallen! Du willst doch nicht etwa M;nch werden?!«

Aratow wollte nicht nachgeben. Kupfer fand aber ganz unerwartete Hilfe bei Platonida Iwanowna. Sie wu;te zwar nicht recht, was das Wort »Asketismus« bedeutete, war aber auch der Meinung, da; es Jaschenjka gar nicht schaden w;rde, sich zu zerstreuen und unter Menschen zu kommen. »Um so mehr«, f;gte sie hinzu, »als ich Fjodor Fjodorowitsch vertraue und wei;, da; er dich an keinen schlechten Ort f;hren wird!«

»Ich werde ihn Ihnen in seiner ganzen Makellosigkeit wieder abliefern!« rief Kupfer aus.

Platonida Iwanowna sah ihn aber trotz ihres ganzen Vertrauens etwas argw;hnisch an. Aratow err;tete bis ;ber die Ohren, gab aber seinen Widerstand auf.

Es endete damit, da; Kupfer ihn am n;chsten Abend zu der F;rstin brachte. Aratow blieb aber nicht lange da. Erstens traf er bei ihr an die zwanzig M;nner und Frauen, die zwar sympathisch schienen, die er aber nicht kannte; das genierte ihn, obwohl er sich nur sehr wenig an der Unterhaltung zu beteiligen brauchte, und davor hatte er ja die allergr;;te Angst. Zweitens mi;fiel ihm die Hausfrau selbst, die ihn zwar sehr freundlich und einfach aufnahm. Alles mi;fiel ihm an ihr: das geschminkte Gesicht, die gebrannten Locken, die heisere, s;;liche Stimme, das schrille Lachen, die Manier, die Augen zu rollen, das viel zu tiefe Dekollet#233; und die dicken, gl;nzenden, mit einer Unmenge von Ringen geschm;ckten Finger.

Er sa; in einer Ecke und lie; seine Blicke ;ber die Gesichter der G;ste schweifen, ohne sie recht zu unterscheiden, oder starrte zu Boden. Als sich aber ein zugereister Virtuose mit bleichem Gesicht, langen Haaren und Monokel unter der gekr;mmten Augenbraue vors Klavier setzte, mit aller Wucht in die Tasten schlug, den Fu; aufs Pedal dr;ckte und eine Lisztsche Fantasie ;ber Wagnersche Themen herunterzuhauen begann, war es Aratow doch zuviel, und er brannte durch, einen wirren und schweren Eindruck forttragend, zu dem sich auch noch eine andere, ihm unverst;ndliche, aber bedeutsame und sogar aufregende Stimmung gesellte.

III

Kupfer a; bei ihm am n;chsten Tag zu Mittag. Er verbreitete sich nicht ;ber den gestrigen Vorfall und machte Aratow nicht einmal Vorw;rfe wegen seiner pl;tzlichen Flucht. Er ;u;erte nur sein Bedauern, da; er das Souper nicht abgewartet hatte, bei dem es Champagner gab (Nischnij-Nowgoroder Provenienz, wie wir in Parenthesen bemerken). Kupfer hatte wohl eingesehen, da; jeder Versuch, den Freund aufzur;tteln, vergebens war und da; Aratow in die Gesellschaft jener Menschen und zu deren Lebensart durchaus nicht pa;te. Auch Aratow seinerseits vermied von der F;rstin und vom gestrigen Abend zu sprechen.

Platonida Iwanowna wu;te nicht recht, ob sie diesen Mi;erfolg mit Freude oder Bedauern aufnehmen sollte. Schlie;lich sagte sie sich, da; derlei Unternehmungen Jaschas Gesundheit sch;digen k;nnten, und beruhigte sich damit.

Kupfer ging gleich nach dem Essen fort und lie; sich dann volle acht Tage nicht mehr blicken. Nicht etwa, weil er Aratow wegen des Mi;erfolgs seiner Empfehlung schmollte – der gute Kerl war dessen gar nicht f;hig. Er hatte aber wohl eine Besch;ftigung gefunden, die alle seine Sinne und Gedanken gefangenhielt; denn er kam von nun an nur sehr selten zu den Aratows, zeigte einen zerstreuten Ausdruck, sprach wenig und blieb nur kurze Zeit.

Aratow lebte ebenso wie fr;her; aber irgend etwas hatte sich wohl in seiner Seele festgesetzt. Er wollte sich immer auf etwas besinnen; er wu;te selbst nicht, was es war, aber dieses »Etwas« hing irgendwie mit dem Abend, den er bei der F;rstin verbracht hatte, zusammen. Dabei sp;rte er nicht den leisesten Wunsch, sie wieder zu besuchen, und die fremde Welt, von der er in ihrem Hause ein Endchen zu sehen bekommen hatte, stie; ihn mehr als je zur;ck. So vergingen an die sechs Wochen.

Eines Morgens erschien bei ihm wieder Kupfer, diesmal mit etwas verlegenem Gesicht.

»Ich wei;«, begann er mit gezwungenem L;cheln, »da; du an jenem Besuch wenig Gefallen gefunden hast; und doch hoffe ich, da; du meinen Vorschlag nicht zur;ckweisen, da; du mir meine Bitte erf;llen wirst!«

»Um was handelt es sich?« fragte Aratow.

»Siehst du«, begann Kupfer, immer lebhafter werdend, »es gibt hier einen Verein von Liebhabern, die ab und zu Rezitationsabende, Konzerte und selbst Theaterauff;hrungen mit wohlt;tigem Zweck veranstalten.«

»Nimmt auch die F;rstin daran teil?«

»Die F;rstin nimmt an allen wohlt;tigen Unternehmungen teil, das macht aber nichts. Wir veranstalten einen literarisch-musikalischen Nachmittag, und bei dieser Gelegenheit kannst du ein junges M;dchen h;ren – ein ganz ungew;hnliches junges M;dchen! Wir wissen noch nicht recht, ob sie eine Rachel oder eine Viardot ist. Denn sie versteht ebenso gut zu singen wie zu rezitieren und zu spielen. Ein ganz erstklassiges Talent, mein Lieber! Ich ;bertreibe gar nicht. Nun also… willst du nicht ein Billett nehmen? In der ersten Reihe kostet es f;nf Rubel.«

»Wo kommt dieses ungew;hnliche M;dchen her?« fragte Aratow.

»Das wei; ich nicht zu sagen«, erwiderte Kupfer l;chelnd. »In der letzten Zeit hat sie bei der F;rstin Unterkunft gefunden. Die F;rstin protegiert ja, wie du wei;t, alle solche Menschen. Du hast sie wohl auch an jenem Abend gesehen.«

Aratow fuhr zusammen – innerlich, ganz schwach –, sagte aber nichts.

»Sie hat sogar schon irgendwo in der Provinz gespielt«, fuhr Kupfer fort, »sie ist ;berhaupt f;rs Theater geschaffen. Du wirst sie ja selbst sehen!«

»Wie hei;t sie?« fragte Aratow.

»Klara.«

»Klara?« unterbrach ihn Aratow wieder: »Unm;glich!«

»Warum unm;glich? – Klara… Klara Militsch; das ist zwar nicht ihr wirklicher Name, aber alle nennen sie so. Sie wird ein Lied von Glinka singen, dann eines von Tschaikowskij und den Brief Tatjanas aus dem ›Eugen Onjegin‹ rezitieren. Nun, nimmst du ein Billett?«

»Wann findet es statt?«

»Morgen, morgen um halb zwei, in einem Privatsaal an der Ostoschenka. Ich werde dich abholen. Also ein Billett f;r f;nf Rubel? Da ist es… Nein, es ist eines f;r drei. Hier. Da hast du auch das Programm. Ich geh;re zu den Veranstaltern.«

Aratow wurde nachdenklich. Platonida Iwanowna kam in diesem Augenblick ins Zimmer und wurde unruhig, als sie sein Gesicht sah.

»Jascha«, rief sie aus, »was hast du? Warum bist du so best;rzt? Fjodor Fjodorowitsch, was haben Sie ihm gesagt?«

Aratow lie; aber seinem Freund nicht Zeit, die Frage der Tante zu beantworten, entri; ihm hastig das Billett und sagte Platonida Iwanowna, da; sie Kupfer sofort f;nf Rubel geben solle.

Die Tante wunderte sich und zwinkerte mit den Augen. Sie gab aber Kupfer das Geld und sagte kein Wort. Jascha hatte sie gar zu streng angefahren.

»Ich sage dir – ein Wunder aller Wunder!« sagte Kupfer und st;rzte zur T;r. »Erwarte mich morgen!«

»Hat sie schwarze Augen?« rief ihm Aratow nach.

»Wie Kohle!« antwortete Kupfer, lachte vergn;gt und verschwand.

Aratow zog sich in sein Zimmer zur;ck, Platonida Iwanowna blieb aber ganz starr stehen und fl;sterte immer vor sich hin: »Gott hilf! Hilf Gott!«

IV

Als Aratow und Kupfer kamen, war der gro;e Saal im Privathaus an der Ostoschenka schon zur H;lfte gef;llt. In diesem Saal fanden zuweilen Theaterauff;hrungen statt, aber diesmal waren weder Dekorationen noch ein Vorhang zu sehen. Die Veranstalter hatten sich darauf beschr;nkt, an dem einen Ende des Saales ein Podium zu errichten, ein Klavier, einige Notenpulte und einen Tisch mit einer Wasserkaraffe und einem Glas hinzustellen und die T;r zu dem f;r die Mitwirkenden bestimmten Zimmer mit rotem Tuch zu verh;ngen. In der ersten Reihe sa; bereits in hellgr;ner Toilette die F;rstin; Aratow wechselte mit ihr kaum einen Gru; und lie; sich in einiger Entfernung von ihr nieder. Das Publikum war recht gemischt; die studierende Jugend war in der ;berzahl. Kupfer, der als Veranstalter eine wei;e Schleife am Fracklatz hatte, lief hin und her und tat sehr gesch;ftig. Die F;rstin sah sich in sichtbarer Erregung fortw;hrend nach allen Seiten um, l;chelte und sprach die in ihrer N;he Sitzenden an. Sie war ;brigens von lauter M;nnern umgeben.

Als erste Nummer trat ein Fl;tist von schwinds;chtigem Aussehen aufs Podium und spuckte, ich wollte sagen, blies h;chst gewissenhaft ein gleichfalls schwinds;chtiges St;ck; zwei Zuh;rer schrien »Bravo!« Dann erschien ein dicker Herr mit Brille, von solidem, sogar griesgr;migem Aussehen, und las

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Paradies kommen! Sie verzeiht alles, also wird auch ihr alles verziehen werden!« Man erz;hlte sich, da; sie in jeder Stadt, aus der sie verduftete, ebenso viele Gl;ubiger wie Menschen, die