gebraucht diesen Ausdruck: »Verehrer«) er gewesen sei, geleitet werde; da; es schlie;lich eine S;nde w;re, wenn man das Publikum in Unwissenheit dar;ber lie;e, was es in ihr verloren habe und warum die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht in Erf;llung gegangen waren.
Frau Milowidow unterbrach ihn nicht; sie verstand wohl kaum, was ihr dieser unbekannte Gast sagte, glotzte ihn erstaunt an und dachte sich nur, da; er ganz harmlos aussehe, anst;ndig gekleidet, also kein Schwindler sei und wohl auch kein Geld erpressen werde.
»Sprechen Sie von Katja?« fragte sie, als Aratow fertig war.
»Gewi;… von Ihrer Tochter.«
»Sind Sie deswegen aus Moskau hergekommen?«
»Ja, aus Moskau.«
»Nur deswegen?« – »Ja, nur deswegen.«
Frau Milowidow fuhr pl;tzlich zusammen. »Sie sind wohl ein Schreiber? Schreiben Sie in den Journalen?«
»Nein, ich bin kein Schreiber und habe bisher in den Journalen nicht geschrieben.«
Die Witwe neigte den Kopf. Sie konnte gar nichts begreifen.
»Sie sind also… aus eigenem Antrieb gekommen?« fragte sie pl;tzlich. Aratow mu;te sich auf eine Antwort besinnen.
»Aus Mitgef;hl, aus Verehrung f;r das Talent«, antwortete er schlie;lich.
Das Wort »Verehrung« gefiel der Frau Milowidow gut. »Nun, warum auch nicht«, begann sie mit einem Seufzer. »Ich bin zwar ihre Mutter, und mein Schmerz war gro;… Dieses unerwartete Ungl;ck! Ich mu; aber sagen: Sie war immer wild und hat auch auf eine wilde Manier geendet! Diese Schande! Urteilen Sie doch selbst, wie es der Mutter ums Herz ist! Ich mu; schon damit zufrieden sein, da; sie ein christliches Begr;bnis bekam.« Frau Milowidow bekreuzigte sich. »Von Kind auf gehorchte sie keinem Menschen, dann lief sie aus dem Elternhause fort und wurde zuletzt – bedenken Sie nur! – Schauspielerin! Nat;rlich sagte ich mich von ihr nicht los: Ich liebte sie ja und war immerhin ihre Mutter! Sie durfte doch nicht bei fremden Leuten wohnen oder betteln gehen.« Die Witwe vergo; einige Tr;nen. »Und wenn Sie, mein Herr«, begann sie von neuem, die Augen mit dem Ende ihres Tuches abwischend, »wenn Sie wirklich diese Absicht haben und uns keine Unehre antun, sondern, im Gegenteil, Ihre Aufmerksamkeit erweisen wollen – so sprechen Sie mit meiner anderen Tochter. Sie wird Ihnen alles viel besser als ich erz;hlen k;nnen – Annotschka!« rief Frau Milowidow, »Annotschka, komm doch her! Hier ist ein Herr aus Moskau, der mit dir wegen Katja sprechen m;chte!«
Im Nebenzimmer klopfte etwas, aber niemand kam zum Vorschein. »Annotschka!« rief die Witwe wieder, »Anna Ssemjonowna! Komm, wenn man dich ruft!«
Die T;r ging leise auf, und an der Schwelle erschien ein nicht mehr junges M;dchen, kr;nklich, unsch;n, doch mit sanften, traurigen Augen. Aratow erhob sich bei ihrem Erscheinen und stellte sich, unter Berufung auf seinen Freund Kupfer, vor. »Ach so, Sie kennen Fjodor Fjodorowitsch!« sagte das M;dchen leise und lie; sich lautlos auf einen Stuhl nieder.
»Also sprich mit dem Herrn«, sagte Frau Milowidow, sich schwerf;llig von ihrem Platz erhebend, »der Herr hat sich eigens dazu aus Moskau herbem;ht, er will einiges ;ber Katja erfahren. Mich m;ssen Sie aber entschuldigen, mein Herr!« f;gte sie hinzu. »Ich mu; nach der Wirtschaft schauen. Mit Annotschka werden Sie sich gut verst;ndigen, sie wird Ihnen vom Theater erz;hlen… und vom ;brigen. Sie ist klug und gebildet: kann franz;sisch und liest B;cher, steht ihrer seligen Schwester in nichts nach. Sie hat sie ja sozusagen erzogen: Sie war die ;ltere und gab sich mit ihr ab.«
Frau Milowidow zog sich zur;ck.
Als Aratow mit Anna Ssemjonowna allein geblieben war, wiederholte er seinen Speech. Da er aber gleich auf den ersten Blick merkte, da; er es mit einem wirklich gebildeten Wesen und nicht mit einer gew;hnlichen Kaufmannstochter zu tun hatte, sprach er etwas weitl;ufiger als vorhin mit der Mutter und gebrauchte auch andere Ausdr;cke. Zum Schlu; wurde er aufgeregt, err;tete und f;hlte, wie ihm das Herz pochte. Anna h;rte ihm schweigend mit gefalteten H;nden zu; ein trauriges L;cheln wich nicht von ihrem Gesicht – ein bitteres, noch nicht verheiltes Weh sprach aus diesem L;cheln.
»Haben Sie meine Schwester gekannt?« fragte sie Aratow.
»Nein, ich habe sie eigentlich nicht gekannt«, antwortete er. »Ich habe sie wohl einmal gesehen und geh;rt. Es gen;gte aber, Ihre Schwester einmal zu sehen und zu h;ren…«
»Wollen Sie ihre Biographie schreiben?« fragte Anna.
Aratow hatte diese Frage nicht erwartet. Er antwortete aber sofort: »Warum auch nicht? Vor allem m;chte ich das Publikum unterrichten…«
Anna unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
»Wozu das? Das Publikum hat ihr viel Leid zugef;gt; Katja fing ja erst zu leben an. Doch wenn Sie selbst (Anna blickte ihn an und l;chelte wieder traurig, doch etwas freundlicher. Es war, wie wenn sie sich sagte: Ja, du fl;;t mir wohl Vertrauen ein!), wenn Sie selbst soviel Mitgef;hl f;r sie haben, so wollen Sie g;tigst heute nachmittag nach dem Essen wiederkommen. Jetzt kann ich nicht… so pl;tzlich. Ich mu; mich sammeln. Ich werde es versuchen. Ach, ich habe sie zu sehr geliebt!«
Anna wandte sich ab; sie schien dem Weinen nahe.
Aratow erhob sich schnell von seinem Stuhl, dankte f;r das Anerbieten, versprach unbedingt, ja, unbedingt zu kommen, und ging, ganz im Banne ihrer leisen Stimme und der sanften, traurigen Augen – und er verzehrte sich vor Sehnsucht nach dem Wiedersehen.
XIII
Aratow kam am Nachmittag zu den Milowidows und unterhielt sich volle drei Stunden mit Anna Ssemjonowna. Frau Milowidow pflegte sich jeden Nachmittag um zwei hinzulegen und bis zum Abendtee, der um sieben Uhr eingenommen wurde, »auszuruhen«. Die Unterhaltung Aratows mit Klaras Schwester war eigentlich keine Unterhaltung: Sie sprach fast die ganze Zeit allein, anfangs etwas unsicher und verlegen, dann aber mit gro;em Feuer. Sie verg;tterte offenbar ihre Schwester. Das Vertrauen, das ihr Aratow einfl;;te, wurde immer st;rker; sie gab jede Zur;ckhaltung auf und fing sogar zweimal in seiner Gegenwart zu weinen an. Sie hielt ihn f;r w;rdig, ihre Offenherzigkeiten und Herzenserg;sse hinzunehmen. In ihrem eigenen freudlosen Leben hatte es nichts dergleichen gegeben!
Er aber sog jedes ihrer Worte gierig ein und erfuhr folgendes: Vieles nur aus Andeutungen. Vieles erg;nzte er selbst.
Klara war in ihrer Kindheit zweifellos ein h;chst unangenehmes Gesch;pf gewesen; auch als junges M;dchen war sie schwierig: eigensinnig, aufbrausend und selbsts;chtig. Sie vertrug sich am allerwenigsten mit dem Vater, den sie wegen seiner Trunksucht und Talentlosigkeit verachtete. Sie zeigte schon sehr fr;h Veranlagung f;r Musik; der Vater aber tat nichts f;r die Entwicklung dieses Talents, da er nur die Malerei allein, in der er zwar wenig erreicht hatte, die aber ihn und seine Familie ern;hrte, f;r echte Kunst hielt. An ihrer Mutter hing sie mit einer etwas l;ssigen Liebe, wie ein Kind oft an seiner W;rterin h;ngt; die Schwester verg;tterte sie, obwohl sie sich mit ihr oft herumschlug und sie bi;. Dann wieder kniete sie vor ihr nieder und k;;te die gebissenen Stellen. Sie war ganz Feuer, ganz Leidenschaft, ganz Widerspruch: rachs;chtig und gutm;tig, gro;m;tig und nachtragend; sie glaubte an das Schicksal und glaubte nicht an Gott (Anna fl;sterte diese Worte mit Entsetzen); sie liebte alles Sch;ne, k;mmerte sich aber nicht um ihre eigene Sch;nheit und kleidete sich nachl;ssig; sie ;rgerte sich, wenn junge Leute ihr den Hof machten, las aber in den B;chern nur solche Seiten, die von Liebe handelten; sie wollte niemand gefallen, mochte keine Z;rtlichkeiten, verga; aber keine ihr erwiesene Z;rtlichkeit, aber auch keine Beleidigung; sie f;rchtete den Tod und t;tete sich selbst!
Manchmal sagte sie: »Den, den ich will, werde ich nie finden, einen andern will ich aber nicht!«
»Und wenn du ihn doch findest?« fragte Anna.
»Wenn ich ihn finde, so nehme ich ihn mir.«
»Und wenn er sich nicht hergibt?«
»Dann… dann nehme ich mir das Leben. Dann tauge ich also nicht.«
Klaras Vater (der seine Frau zuweilen im Rausche fragte: »Von wem hast du diese schwarze Hexe? Von mir ist sie sicher nicht!«) wollte sie m;glichst schnell loswerden und verlobte sie mit einem reichen jungen, furchtbar dummen Kaufmann, einem von den »Gebildeten«. Zwei Wochen vor der Hochzeit (sie war erst sechzehn) ging sie mit gekreuzten Armen, mit den Fingern auf den Ellenbogen spielend (das war ihre liebste Stellung), auf ihren Br;utigam zu und versetzte ihm pl;tzlich mit ihrer gro;en kr;ftigen Hand einen Schlag auf seine rosige Wange! Er sprang auf und ri; nur das Maul auf – es ist zu bemerken, da; er ma;los in sie verliebt war.
Er fragte sie: »Wof;r?«
Sie lachte nur auf und ging.
»Ich war im gleichen Zimmer«, erz;hlte Anna, »und war Zeugin. Ich lief ihr nach und fragte: ›Katja, was f;llt dir ein?‹ Sie aber antwortete: ›Wenn er ein Mann w;re, so h;tte er mich verpr;gelt, er ist aber eine nasse Henne! Und er fragt noch: Wof;r? Wenn du mich liebst und mich nicht strafen willst, so mu;t du eben dulden und darfst nicht fragen, wof;r! Er kriegt mich nicht, solange er lebt!‹ Sie nahm ihn auch wirklich nicht. Bald darauf lernte sie jene Schauspielerin kennen und verlie; unser Haus. M;tterchen weinte, Vater aber sagte: ›Die widerspenstige Ziege mu; aus der Herde hinaus!‹ Und er tat nichts, um sie zur R;ckkehr zu bewegen. Der Vater verstand Klara nicht. Am Tag vor ihrer Flucht erw;rgte sie mich beinahe in ihren Armen«, f;gte Anna hinzu, »und sagte dabei immer: ›Ich kann nicht anders! Das Herz bricht mir entzwei, ich kann aber nicht anders! Zu eng ist mir euer K;fig… meine Fl;gel finden keinen Platz darin! Niemand kann seinem Schicksal entgehen.‹ «
»Sp;ter sahen wir uns nur sehr selten«, bemerkte Anna. »Als der Vater starb, kam sie f;r zwei Tage nach Hause, wollte nichts von der Erbschaft nehmen und verschwand wieder. Es war ihr schwer, bei uns zu leben. Ich sah es. Dann kam sie als Schauspielerin nach Kasan.«
Aratow begann Anna ;ber das Theater auszufragen, ;ber die Rollen, in denen Klara auftrat, und ;ber ihre Erfolge.
Anna antwortete ausf;hrlich mit dem gleichen traurigen Ausdruck, wenn auch mit gro;em Feuer. Sie zeigte Aratow sogar eine Photographie, auf der Klara in einer ihrer Rollen dargestellt war. Auf dem Bild blickte sie zur Seite, wie wenn sie sich von