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Klara Militsch

den Zuschauern abwenden wollte; der mit einem Band durchflochtene dicke Zopf fiel wie eine Schlange auf den entbl;;ten Arm herab. Aratow betrachtete die Photographie lange, fand sie ;hnlich, erkundigte sich, ob Klara auch in Rezitationsabenden aufgetreten sei, und erfuhr von Anna, da; sie nur in B;hnenrollen aufgetreten war, weil sie die Aufregung des Theaters und der B;hne brauchte… Aber eine andere Frage brannte ihm auf den Lippen.

»Anna Ssemjonowna!« rief er schlie;lich aus, nicht laut, doch mit besonderer Kraft: »Sagen Sie mir, ich flehe Sie an, sagen Sie mir, warum sie… warum sie sich zu dieser schrecklichen Tat entschlossen hat!«

Anna senkte die Augen. »Ich wei; es nicht!« sagte sie nach einer Weile. »Bei Gott, ich wei; es nicht!« fuhr sie in fieberhafter Hast fort, als sie sah, da; Aratow ungl;ubig die Arme spreizte. »Vom Tag ihrer Ankunft an war sie nachdenklich und finster. Sie hatte in Moskau zweifellos irgend etwas erlebt, was ich unm;glich erraten kann. Aber an jenem verh;ngnisvollen Tag schien sie, ich will nicht sagen, lustiger, doch ruhiger als sonst. Ich hatte sogar keine Vorahnung«, f;gte Anna mit bitterem L;cheln hinzu, als ob sie sich etwas vorzuwerfen h;tte.

»Sehen Sie«, fing sie wieder an, »es war ihr wohl schon vom Schicksal beschieden, ungl;cklich zu sein. Von ihrer fr;hesten Kindheit an war sie davon ;berzeugt. Zuweilen st;tzte sie den Kopf in die Hand und sagte nachdenklich: ›Ich werde nicht lange leben!‹ Sie hatte Vorahnungen. Denken Sie sich nur: Sie sah schon vorher im Traume und manchmal auch im Wachen, was ihr bevorstand. ›Wenn ich nicht so leben kann, wie ich will, so will ich gar nicht leben‹, pflegte sie oft zu sagen. ›Unser Leben ist ja in unserer Hand!‹ Und sie bewies es auch!«

Anna bedeckte das Gesicht mit den H;nden und verstummte.

»Anna Ssemjonowna«, begann Aratow nach einer Pause. »Sie haben vielleicht geh;rt, was in den Zeitungen stand…«

»Das von der ungl;cklichen Liebe?« unterbrach ihn Anna, und nahm die H;nde vom Gesicht. »Das ist eine Verleumdung, eine Verleumdung, eine Erfindung! Meine unber;hrte, meine unzug;ngliche Katja… Katja!… Und sie sollte eine ungl;ckliche, eine unerwiderte Liebe haben?! Und ich habe nichts davon gewu;t? Alle, alle verliebten sich in sie und sie… Wen h;tte sie hier auch lieben k;nnen? Wer von allen Menschen war ihrer wert? Wer hatte jenes Ideal der Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Reinheit, ja, vor allem Reinheit, das ihr trotz aller ihrer Fehler immer vorschwebte, erreicht? Wer hat ihre Liebe zur;ckweisen k;nnen, ihre Liebe…«

Annas Stimme versagte. Ihre Finger zitterten. Sie war pl;tzlich ;ber und ;ber rot geworden, rot vor Emp;rung, und in diesem Augenblick, in diesem einen Augenblick sah sie der Schwester ;hnlich.

Aratow stammelte irgendeine Entschuldigung.

»H;ren Sie einmal«, unterbrach ihn Anna wieder. »Ich will, da; Sie an diese Verleumdung nicht glauben, da; Sie sie nach M;glichkeit zerstreuen! Sie wollen ja einen Aufsatz schreiben: Da haben Sie also die Gelegenheit, ihr Andenken zu verteidigen! Darum spreche ich auch mit Ihnen so aufrichtig. H;ren Sie einmal: Katja hat ein Tagebuch hinterlassen.«

Aratow zuckte zusammen. »Ein Tagebuch«, fl;sterte er.

»Ja, ein Tagebuch, das hei;t nur einige Seiten. Katja mochte das Schreiben nicht und trug monatelang nichts ein; auch ihre Briefe waren kurz. Sie war aber immer aufrichtig und log niemals. Wie sollte sie auch bei ihrem Stolz l;gen! Ich… ich will Ihnen das Tagebuch zeigen. Sie werden sich selbst ;berzeugen, da; darin nicht einmal eine Andeutung von ungl;cklicher Liebe zu finden ist!«

Anna holte aus der Schublade hastig ein d;nnes Heftchen von h;chstens zehn Seiten und reichte es Aratow. Er ergriff es mit Gier, erkannte sofort die unregelm;;ige, weitl;ufige Schrift jenes anonymen Briefes und schlug es aufs Geratewohl auf. Sein Blick fiel auf folgende Zeilen: »Moskau. Dienstag, den *. Juni. Ich rezitierte und sang in einer literarischen Matinee. Heute war f;r mich ein bedeutsamer Tag. Er mu; mein Schicksal entscheiden. (Dieser Satz war zweimal unterstrichen.) Ich sah wieder«, hier folgten einige sorgf;ltig durchgestrichene Zeilen. Weiter hie; es: »Nein, nein, nein! Ich mu; wieder von vorne anfangen, wenn nur…«

Aratow lie; die Hand mit dem Heft sinken, und sein Kopf fiel langsam auf die Brust herab.

»Lesen Sie doch!« rief Anna aus. »Warum lesen Sie nicht? Lesen Sie von Anfang an! Sie sind damit in f;nf Minuten fertig, obwohl das Tagebuch ganze zwei Jahre umfa;t. In Kasan trug sie nichts mehr ein.«

Aratow erhob sich langsam von seinem Stuhl und st;rzte vor Anna in die Knie.

Sie war vor Erstaunen und Schreck ganz starr.

»Geben Sie, geben Sie mir dieses Tagebuch«, begann Aratow mit ersterbender Stimme und hob beide H;nde zu ihr empor. »Geben Sie es mir… auch die Photographie. Sie haben sicher eine andere. Das Tagebuch werde ich Ihnen zur;ckgeben. Ich brauche es, ich brauche es…«

In seinem Flehen, in seinen verzerrten Z;gen lag eine solche Verzweiflung; man konnte diesen Ausdruck f;r Ha; oder Schmerz halten. Er litt tats;chlich. Es war, als ob ein unerwartetes Ungl;ck ;ber ihn hereingebrochen w;re und er gereizt um Erbarmen und Hilfe flehte.

»Geben Sie es mir!« sagte er wieder.

»Waren Sie vielleicht in meine Schwester verliebt?« fragte Anna endlich.

Aratow kniete noch immer.

»Ich habe sie nur zweimal gesehen, glauben Sie es mir! Und wenn ich nicht meine Gr;nde h;tte, die ich selbst weder richtig begreifen noch darlegen kann – wenn ;ber mir nicht eine Gewalt w;re, die st;rker ist als ich, so h;tte ich Sie darum nicht gebeten. Ich w;re gar nicht hergekommen. Ich brauche… ich mu;… Sie haben mir ja selbst gesagt, da; ich ihr Bild in seiner Reinheit wiederherstellen soll!«

»Und Sie waren in meine Schwester nicht verliebt?« fragte Anna wieder.

Aratow wu;te im ersten Augenblick nicht, was zu antworten, und wandte sich, wie von Schmerz ;berw;ltigt, von ihr weg.

»Nun ja! Ich war verliebt! Ich bin es auch jetzt!« rief er mit derselben Verzweiflung aus.

Im Nebenzimmer ert;nten Schritte.

»Stehen Sie auf, stehen Sie auf«, sagte Anna schnell: »M;tterchen kommt!«

Aratow erhob sich von den Knien.

»Nehmen Sie meinetwegen das Tagebuch und die Photographie mit. Die arme, arme Katja!… Das Tagebuch m;ssen Sie mir aber wiedergeben«, f;gte sie lebhaft hinzu. »Und wenn Sie etwas ;ber sie schreiben, so m;ssen Sie es mir unbedingt schicken! H;ren Sie?«

Das Erscheinen der Frau Milowidow entband Aratow von der Pflicht, etwas darauf zu sagen. Er hatte aber noch Zeit, dem jungen M;dchen zuzufl;stern: »Sie sind ein Engel! Ich danke Ihnen! Ich will Ihnen alles schicken, was ich schreibe.«

Frau Milowidow war so verschlafen, da; sie nichts merkte. So verlie; Aratow mit der Photographie in der Brusttasche Kasan. Das Heftchen gab er Anna zur;ck, ri; aber heimlich die Seite heraus, auf der sich die unterstrichenen Worte befanden.

W;hrend der R;ckfahrt nach Moskau war er wieder in der gleichen Erstarrung. Obwohl er sich auch in der Tiefe seiner Seele freute, da; er den Zweck seiner Reise erreicht hatte, schob er alle Gedanken an Klara bis zu seiner Heimkehr auf. Er dachte vielmehr an ihre Schwester Anna.

Das ist doch wirklich ein herrliches, sympathisches Wesen! sagte er sich. Dieses feine Verst;ndnis f;r alles, dieses liebende Herz, dieser v;llige Mangel an Selbstsucht! Wie kommt es nur, da; in unserer Provinz und in einem solchen Milieu so herrliche M;dchen erbl;hen? Sie ist kr;nklich und unsch;n und auch nicht mehr jung, doch welch eine wunderbare Lebensgef;hrtin w;re sie f;r einen anst;ndigen gebildeten jungen Mann. In eine solche sollte man sich verlieben!

Solche Gedanken gingen Aratow durch den Kopf. Als er aber wieder in Moskau war, nahm alles doch eine ganz andere Wendung.

XIV

Platonida Iwanowna freute sich unsagbar ;ber die R;ckkehr ihres Neffen. Was hatte sie sich nicht schon alles gedacht! – »Mindestens nach Sibirien!« fl;sterte sie, regungslos in ihrem Zimmerchen sitzend »Mindestens f;r ein Jahr!« Auch die K;chin machte ihr gro;e Angst, wenn sie ihr die verb;rgtesten Nachrichten ;ber das Verschwinden bald des einen, bald des andern jungen Mannes aus der Nachbarschaft ;berbrachte. Die absolute Unschuld und politische Zuverl;ssigkeit Jaschas vermochten sie nicht zu beruhigen: Es kann ja alles vorkommen! Er besch;ftigte sich mit Photographie – das gen;gt schon! Man verhaftet ihn!

Da kam aber Jascha heil und gesund nach Hause! Allerdings kam er ihr etwas abgemagert vor; das war auch kein Wunder: die ganze Zeit ohne ihre Aufsicht! Sie wagte aber nicht, ihn ;ber seine Reise auszufragen. Beim Mittagessen erkundigte sie sich nur: »Ist Kasan eine h;bsche Stadt?«

»Ja, eine h;bsche Stadt!« antwortete Aratow.

»Leben dort lauter Tataren?«

»Nicht lauter Tataren.«

»Hast du dir keinen tatarischen Schlafrock mitgebracht?«

»Nein, ich habe keinen mitgebracht.«

Damit war das Gespr;ch zu Ende.

Kaum war aber Aratow allein in seinem Kabinett, als er sich sofort an allen Gliedern ergriffen f;hlte, wie wenn er sich wieder in der Gewalt – ja, es war wohl eine Gewalt! – eines anderen Lebens, eines anderen Wesens bef;nde. Er hatte zwar Anna in jenem pl;tzlichen Ausbruch von Wahnsinn gesagt, da; er in Klara verliebt sei; dieses Wort erschien ihm aber jetzt dumm und sinnlos. Nein, er ist nicht verliebt; wie sollte er auch in eine Tote verliebt sein, die ihm selbst bei Lebzeiten nicht gefiel, die er beinahe vergessen hatte? – Nein! Er ist aber in der Gewalt, in ihrer Gewalt. Er geh;rt nicht mehr sich selbst. Er ist gefangen. Er ist derma;en gefangen, da; er nicht einmal versucht, sich auf irgendeine Weise frei zu machen – weder durch Spott ;ber seine Dummheit noch durch die Einsicht oder wenigstens die Hoffnung, da; alles vergehen werde, da; alles von den Nerven komme, noch durch irgendwelche logische Gr;nde!

»Wenn ich ihn finde, so nehme ich ihn mir«, diese Worte Klaras, die er von Anna geh;rt hatte, kamen ihm in den Sinn. Nun hat sie ihn genommen. Sie ist aber tot? Ja, ihr K;rper ist tot. Und die Seele? Ist die Seele nicht unsterblich? Braucht sie denn irdische Organe, um ihre Gewalt zu zeigen? – Die Erscheinungen des Magnetismus beweisen, da; eine lebende Menschenseele auf eine andere lebende Menschenseele einwirken kann. Warum soll diese Wirkung nicht auch nach dem Tode fortbestehen, wenn die

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den Zuschauern abwenden wollte; der mit einem Band durchflochtene dicke Zopf fiel wie eine Schlange auf den entbl;;ten Arm herab. Aratow betrachtete die Photographie lange, fand sie ;hnlich, erkundigte sich,